Beckenboden: Was tun bei Inkontinenz?

Es ist ein leidiges Thema, das nicht nur Schwangere und frisch gebackene Mütter betrifft: der Harndrang, der uns fast verrückt werden lässt. In den unmöglichsten Situationen macht sich die Blase bemerkbar und zwingt uns auf das nächste Klo. Fitness-und Beckenbodenexpertin Sarah erklärt uns im heutigen Expertentipp, warum das eigentlich so ist und ab welchem Zeitpunkt es ratsam ist, einen Arzt aufzusuchen. Außerdem hat sie noch eine einfache Übung parat, mit der ihr die entsprechende Muskultur trainieren könnt.

Mamas haben grundsätzlich keine Zeit: keine Zeit zum Duschen, zum Essen, zum Lesen, zum Durchatmen. Der Toilettengang zählt unweigerlich dazu, da wird mit dem kreischenden Baby im Nebenraum möglichst fix alles rausgepresst – bis vermeintlich nichts mehr kommt. Und ganz nebenbei wird auch nochmal schnell die Nase geputzt. Doch warum ist das eigentlich so, dass wir so oft auf Toilette müssen? Und trainieren wir uns damit womöglich noch etwas an?

Verschiedene Formen der Inkontinenz

Frauen und Mütter leiden nach der Geburt oft unter Inkontinenz, in den unterschiedlichsten Abstufungen. Eine Form davon ist die sogenannte Dranginkontinenz. Hauptmerkmale hierfür sind:

  • starker, ständiger Harndrang,
  • Wasser lassen in einer sehr hohen Frequenz, mehr als achtmal in 24 Stunden
  • geringe Urinmenge
  • unwillkürlicher Urinverlust

Die muskuläre Dranginkontinenz äußert sich durch eine überaktive Muskulatur im Bereich der Blase, welche den Urin hinauspresst. Normalerweise werden die Muskeln durch das zentrale Nervensystem gebremst und erst bei voller Blase aktiviert. Bei dieser Form der Inkontinenz arbeiten die austreibenden und haltenden Muskeln allerdings gegeneinander.

Bilder © Arps-Verlag (www.arps-verlag.de)

Bei einer sensorischen Inkontinenz führen Veränderungen der Blase und der Blasenwand zu einer Fehlwahrnehmung und signalisieren, dass die Blase voll ist. Diese Art kommt unter anderem nach häufigen Blasenentzündungen vor.

Generell ist es so, dass die Harnröhre von zwei ringförmigen Muskeln, den Schließmuskeln (Sphinkter), umschlossen wird. Bei derBlasenentleerung kommt es zum Zusammenspiel dieser beidenSchließmuskeln und des Blasenmuskels. Der innere und äußereSchließmuskel öffnen sich, der Beckenboden entspannt sich. Kurz darauf zieht sich der Blasenmuskel zusammen. Dieser Mechanismus sorgt in einem gesunden Harntrakt dafür, dass sich die Harnblase untergeringem Druckaufwand komplett entleert und kein Restharn in der Blase verbleibt.

Damit der Harntrakt optimal funktioniert, ist neben dem Zusammenspiel aus Schließmuskeln und Blasenmuskel auch ein intaktes Nervensystem notwendig. Über die Nervenstränge und -impulse wird das Zusammenspiel der Muskeln koordiniert.

Wasserlassen – ein komplexer Prozess

Zusammengefasst heißt das: Du musst Pipi, die Blase vermittelt mit Rezeptoren den Füllstand, du gehst zur Toilette. Bis dahin übernimmt willentlich dein System und schließt die Harnröhre bis du auf der Toilette sitzt – es sichert dir so die Kontinenz. Sobald du sitzt, entspannt sich dein Beckenboden, die Harnröhre weitet sich und die Blase zieht sich zusammen. Presst du nun das Pipi raus, steuert das System dies mit reiner Muskelkraft. Das bedeutet, es wird enormer Druck auf den entspannten Beckenboden ausgeübt und es fließt zu viel Urin durch die Harnröhre. Auch die Pipistop-Übung wird über die Muskelkraft gesteuert, über die Harnröhre und den Beckenboden. Die Blase entspannt sich später.

Damit wir urinieren können, passiert in unserem Körper also ein ganz komplexer Prozess, in dem alles perfekt aufeinander abgestimmt ist. Bei beiden Varianten, also bei Press-Pipi und Pipi-Stop bleibt Restharn in der Blase, hier erhöht sich damit zugleich noch die Infektionsgefahr.

Wenn wir also mit Druck diesen Vorgang beschleunigen oder auch mal eben beim Urinieren auf dem Klo das Pipi anhalten, bremsen wir diesen Vorgang willkürlich. Das ist physiologisch nicht vorgesehen! Wir forcieren damit nervale Fehlinformationen und sorgen für eine falsche Koordination zwischen Blasen- und Schließmuskelaktivität.

Solltest du bereits das Gefühl haben, dass du von dieser Form der Inkontinenz betroffen bist, so solltest du umgehend deinen Arzt aufsuchen um dir weitere Hilfsmaßnahmen zu holen. Also liebe Mama, auch wenn wir nie Zeit haben, ist es umso wichtiger, deinen Mamaalltag bewusst zu leben und dir auch auf der Toilette Zeit zu lassen, getreu dem Motto: es läuft von allein!

Beckenboden-Übung

Inkontinenz Beckenbodentraining
Bilder © Arps-Verlag (www.arps-verlag.de)

Eine sinnvolle Übung, um deinen Beckenboden zu kräftigen, ist der Beckenmove: Stelle dich bewusst und aufrecht schulterbreit hin. Deine Füße sind im Boden verankert, sodass du dein Fußgewölbe aktivierst, deine Knie sind leicht gebeugt, deine Wirbelsäule ist lang, dein Brustbein gehoben, deine Schulterblätter tief und dein Blick neutral geradeaus gerichtet. Du kannst dir in dieser Übung deine Hände auf dein Becken links und rechts abstellen. Aktiviere deinen Beckenboden mit der Ausatmung, verschließe deine Körperöffnungen, Schambein und Steißbein nähern sich, deine Sitzbeinhöcker kommen von innen zusammen. Halte diese Spannung und lasse dein Becken bewusst Kreise ziehen. Verlierst du die Spannung in deinem Beckenboden, so halte dort inne und aktiviere ihn erneut nach innen oben.

Zahlreiche weitere effektive Übungen empfehlen wir in unseren MamaWORKOUT-Kursen in der Familienwiege.

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