Plötzlicher Kindstod – welche Risikofaktoren können Eltern meiden?

Es ist ein
trauriges, aber wichtiges Thema, das jeder/m, die/der regelmäßig mit Säuglingen
zu tun hat, begegnen kann: der Plötzliche Kindstod. Vor allem aber ist die
Aufklärung über dieses Phänomen, das das Leben einer jungen Familie von heute
auf morgen dramatisch verändern kann, so unglaublich wichtig. Denn zum einen
kann dies Eltern unnötige Ängste nehmen und zum anderen die Gefahr eines
Plötzlichen Kindstodes verringern. Und genau deshalb nimmt sich unsere
hauseigene Hebamme und
Trageberaterin Katrin Ritter
diesem schweren Thema im heutigen Expertentipp an.

Der Plötzliche
Kindstod. Er tritt unerwartet ein und ist in erster Linie nicht zu erklären. Er
wird dann diagnostiziert, wenn sämtliche natürliche und nicht-natürliche
Todesursachen, wie z.B. Infektionen, Stoffwechselstörungen, Blutungen (z.B.
durch Schütteltrauma), Fehlbildungen und Unfälle ausgeschlossen werden und die
klinische Vorgeschichte keine Hinweise für eine andere Ursache liefert. Im
Englischen spricht man von SIDS, Sudden Infant Death Syndrome.

Glücklicherweise
ist die Säuglingssterblichkeit am Plötzlichen Kindstod in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Am häufigsten
tritt sie im 1. Lebensjahr auf, in 2-6 % der Todesfälle waren die Säuglinge
allerdings bereits im 2. Lebensjahr (1). In Deutschland ist diese Todesart
mittlerweile nur noch die dritthäufigste im Kindesalter
jenseits der Neugeborenenperiode. Sie tritt eher im Winter und bei 80% aller
Fälle zwischen 0 und 6 Uhr morgens ein. Es sind bisher mehr Jungs (60%) als Mädchen (40%) betroffen und 66%
von ihnen sind in der Bauchlage gefunden worden (7% in der Seitenlage, 27% in
Rückenlage). Außerdem stehen der 3.-5. und der 9. Lebensmonat im Fokus, da es
in diesem Zeitraum zu einer erhöhten Vulnerabilität (Verletzbarkeit) durch
gestörte Homöostase (Gleichgewicht der physiologischen Körperfunktionen) in
kritischen Entwicklungsphasen kommen kann (2).

Diese gesammelten Daten und Erkenntnisse
machen deutlich: die genauen Ursachen für den Plötzlichen Kindstod sind nicht
bekannt. Das, was man liest und hört, sind lediglich Hypothesen durch
gesammelte Erfahrungen, Obduktionen und Auswertungen. Deshalb geht die
Wissenschaft heute nicht von der einen Ursache aus. Nein, Forscher definieren
weltweit Risikogruppen und -faktoren und sprechen dann von einem
multifaktoriellen Geschehen.

Gesamtübersicht möglicher Risikofaktoren
Folgende Faktoren können nach heutigem Kenntnisstand einen Plötzlichen Kindstod
begünstigen. Deshalb solltet ihr diese – sofern möglich – so gut es geht
vermeiden, auf sie achten bzw. sie im Hinterkopf behalten: (Ohne Anspruch auf
Vollständigkeit)

  • Frühgeborene (bis zur vollendeten 37. SSW) sind häufiger gefährdet als normalgewichtige Neugeborene (zwischen der 10. und 90. Perzentile) (2)
  • Niedriges Geburtsgewicht
  • Zwillinge/Mehrlinge
  • Keine oder unzureichende Schwangerschaftsvorsorge
  • Rauchende Eltern (besonders auch im elterlichen Bett) (2) bzw. Eltern, die Drogen nehmen und Alkohol trinken (auch in der Schwangerschaft)
  • Alleinerziehende Eltern
  • Kritische Schlafumgebung (z.B. zu weiche, nicht atmungsaktive Matratze bzw. ein luftundurchlässiger Matratzenschoner, Decken, Kissen, große Kuscheltiere, die das Gesicht bedecken können, Bettnestchen) (2)
  • Schlafen im elterlichen Bett/Bedsharing/Co-Sleeping (fraglich)
  • Schlafen im Kinderzimmer
  • Zu warme Raumtemperatur (mehr als 18 Grad) bzw. Überwärmung
  • Schlafen in Bauchlage: gestörter Blutfluss zum Hirnstamm durch seitliches Drehen des Kopfes in Bauchlage (2)
  • Nicht Stillen bzw. frühes Abstillen: Stillen senkt das Risiko um 50% - durch den Immunschutz sowie die Tatsache, dass gestillte Kinder nicht so tief schlafen und so gefährliche Atemaussetzer ausbleiben (2)
  • Bereits an SIDS verstorbene Geschwisterkinder (2)
  • Alter der Eltern (jünger als 20 und älter als 38) (2)
  • Niedriger Bildungsstand der Eltern (2)
  • Kulturelle Unterschiede in der Betreuung und im Umgang mit dem Baby (2)
  • Körperliche Ursachen und Krankheiten - bitte gehe zu allen Vorsorgeuntersuchungen für das Baby (U-Heft)
  • Botulismus-Theorie: atemlähmende Wirkung durch Clostridium botulinum (z.B. durch Honig) – Keinen Honig für Kinder unter einem Jahr! (2)
  • Unreife des Atemantriebs und schwere Erweckbarkeit (2)
  • Infekt der oberen Luftwege (2)
  • Fehlbildungen (2)
  • Toxische Gase/Ausdünstungen aus Materialien und Stoffen (bewährt haben sich second-hand Kleidung, die schon öfters gewaschen wurde und Möbel und Materialien, die schon länger in Gebrauch sind – alles was waschbar ist, unbedingt waschen, auch Tragehilfen)

Was Eltern
in den ersten Lebensjahren tun können

Zuallererst
solltet ihr in der Schwangerschaft eine ausreichende Schwangerschaftsvorsorge
wahrnehmen; auch in der Wochenbettphase kann euch eine betreuende Hebamme gute
und wichtige Tipps geben und euch in den entscheidenden Punkten beratend zur
Seite stehen. Wenn ihr eine Tragehilfe nutzen möchtet, kontaktiert am besten
eine Trageberaterin, damit ihr euren Schützling auch wirklich korrekt in der
Tragehilfe positioniert. So sollte der Rücken immer adäquat in der natürlichen
Haltung gestützt sein, nicht in sich zusammensacken und es sollten mindestens
zwei Querfinger zwischen Kinn und Brust des Babys passen. Bedeckt niemals den
Kopf des Kindes in der Tragehilfe und achtet immer darauf, dass das Gesicht zu
sehen ist. Außerdem sollte ein Baby niemals in der Trage oder im Tuch stöhnen.
Ist das der Fall, müsst ihr sofort handeln und die Position korrigieren oder
das Baby herausnehmen.

Nehmt alle Vorsorgeuntersuchungen bei dem/der Kinderarzt/ärztin wahr und fragt bei Auffälligkeiten lieber einmal mehr als einmal zu wenig eure Hebamme oder den/die Kinderarzt/ärztin. Natürlich solltet ihr das Rauchen unterlassen und keine Drogen konsumieren.

Eine optimale Schlafumgebung ist
ebenfalls unabdingbar. Lasst euer Kind bei euch im Schlafzimmer nächtigen, denn
ein Baby möchte von Natur aus nicht allein schlafen - mindestens das komplette
erste Lebensjahr lang, gerne aber auch länger. Allerdings sollte es in einem
separaten Bett liegen. Die optimale Schlaftemperatur liegt bei 16-18 Grad,
Sonne oder Heizungsnähe sind beim Schlafen tabu. Am besten passt ihr die Schlafkleidung der Raum-
bzw. der Umgebungstemperatur an. Allerdings solltet ihr niemals eine Mütze beim
Schlafen verwenden! Euer Baby sollte auf dem Rücken liegend einschlafen und
auch so bleiben. Dreht es sich auf den Bauch oder auf die Seite, bringt es
wieder zurück in die Rückenlage. Ein Schnuller kann durchaus eingesetzt werden.

Puck-Mich-Sack Moon

Darüber
hinaus solltet ihr keine Decken, Kopfkissen oder großen Kuscheltiere mit ins Bettchen
legen. Dafür aber einen passenden
und gut sitzenden Schlafsack
, den ihr immer wieder der Größe des Kindes
anpasst. Und auch jedes eurer Kinder sollte eine neue und gut belüftete
Matratze bekommen, dessen Bezug ihr gerne regelmäßig wascht.

Weiterhin
solltet ihr auch beim Füttern und bei der Kleidung bzw. der Textilienwahl auf
einige Dinge achten. So kann beispielsweise das Stillen dazu beitragen, dass
das Risiko eines Plötzlichen Kindstodes vermindert wird. Stillt also so lange
wie möglich und gerne auch über das erste Lebensjahr hinaus. Gebt eurem Kind
zudem keinen Honig während des ersten Lebensjahres. Second-Hand-Kleidung und
gebrauchte Möbel haben sich bewährt, da sie keine Ausdünstungen mehr haben. Und
beim Waschen verwendet bitte keinen Weichspüler.

Diese
Auflistung ist auf keinen Fall vollständig, aber beinhaltet doch viele Tipps,
die ihr befolgen könnt, damit das Risiko des Plötzliche Kindstodes eventuell verringert
werden kann. Wichtig ist, die angegebenen Punkte im Auge zu behalten, aber
dennoch entspannt zu bleiben und immer auf das eigene Bauchgefühl zu vertrauen!