Trageberatung im Fokus: Tragen als Unterstützung in der Basistherapie (Teil1)

Omni Breeze Sage Green Babytrage

Wir von Ergobaby sind stolz, dass wir als erster Hersteller vor 20 Jahren eine ergonomische Tragehilfe (Ergobaby Original) auf den Markt gebracht haben, die aus Rückenpanel, gepolsterten Schultergurten und einem Hüftgurt (ähnlich einem Wanderrucksack) besteht. Diese wird als „Komforttrage“ mittlerweile weltweit als Standard definiert und trägt so dazu bei, dass zahlreiche Babys eine gesunde Unterstützung in ihrer Entwicklung erfahren. Natürlich wurde sie dank Feedbacks zahlreicher Experten und Eltern stetig weiterentwickelt und ist heute unter dem Namen Adapt stufenlos mitwachsend und bequemer als je zuvor. Darum hat sie es sogar in das medizinische Fachbuch „Leitfaden Physiotherapie in der Pädiatrie“, 1. Auflage 2018, Elsevier geschafft – nachzulesen in Kapitel 10.1.2 „Tragehilfen“.

Tragen als Unterstützung in der Basistherapie ist ein spannendes Thema mit viel Potenzial. Denn wie wir mittlerweile wissen, kann das ergonomische Tragen so einiges für unsere Kinder tun. Also lasst uns gemeinsam dieses großartige Feld der Möglichkeiten erforschen, erfahren und weiterentwickeln.

Welche Vorteile bietet das ergonomische Tragen für Kinder und was sind mögliche therapeutische Ziele? Tragen kann…

  • Die gesamte Entwicklung fördern und Einfluss auf die ideale Motorik nehmen.
  • Bewegung anbahnen, indem sich die Bewegungen des Tragenden auf das Kind übertragen.
  • Den Rumpf umfassend trainieren, sowie die Muskulatur und Abstützreaktion der Hände kräftigen.
  • Die optische Orientierung aktivieren.
  • Die aktive Interaktion zwischen Kind und Tragendem sowie die nonverbale Kommunikation fördern.
  • Den Bindungsaufbau unterstützen.
  • Die Halte- und Stellreaktionen aktivieren und damit den Haltungshintergrund, die Nackenmuskulatur und die Aufrichtung.
  • Alle Sinne stimulieren, sowie die Tiefensensibilität, das Gleichgewicht, die Koordination, Ausdauer, Kraft und Symmetrie.
  • Die Gelenke in ihre physiologische Mittelstellung bringen und damit eine entwicklungsfördernde Haltung erreichen, besonders der Oberschenkel in Flexion, Abduktion und Außenrotation.
  • Eine gesunde Fußentwicklung fördern.
  • Den Darm regulieren.
  • Den Schluckmechanismus trainieren.
  • Den Muskeltonus regulieren und frühkindliche Reflexe hemmen.
  • Entspannen, Selbstregulation fördern und das Lernen unterstützen.

Welches Ziel verfolge ich oder ist der Einsatz absichtslos?

Die Frage, die sich jede Trageberaterin nun vermutlich stellt, ist: Wann und wie setze ich das ergonomische Tragen ein? Verfolge ich damit ein bestimmtes Ziel oder ist der Einsatz absichtslos? Wie wir alle wissen, ist das Getragen zu werden der natürliche Transport eines Babys und damit sinnvoll für jedes Kind. Gibt es nun Defizite in der kindlichen Entwicklung, kann das Tragen auch hier individuell, bedürfnisorientiert und therapiebegleitend gezielt eingesetzt werden, z. B. bei einem erhöhten oder erniedrigten Muskeltonus, Bewegungsarmut und Asymmetrien. Da zum Zeitpunkt der Geburt das kindliche Gehirn noch nicht ausgereift ist und sich bis ins jugendliche Alter entwickeln muss, sind Fehlanlagen oder auch Schädigungen oftmals noch nicht sofort sichtbar. Das genaue Ausmaß lässt sich oft erst nach Monaten oder Jahren endgültig diagnostizieren.

Omni-Breeze-Midnight-Blue Tragen als Unterstützung

Mögliche, potenzielle Indikationen für das ergonomische Tragen

Hier ist es wichtig, dass jeder dieser Fälle immer individuell, aber auch interdisziplinär behandelt werden sollte. Denkbare Indikationen könnten sein:

  • Trisomie 21, Marfan-Syndrom, embryofetales Alkoholsyndrom
  • Neurologische Störungsbilder (z.B. zentrale Koordinationsstörung, Zerebralparese..)
  • Stoffwechselerkrankungen
  • Orthopädische Störungsbilder (z.B. Hüftdysplasie, Klumpfüße….)
  • Asymmetrien (z.B. Tortikollis, Plagiozephalus, KiSS….)
  • Frühgeborene und Regulationsstörungen
  • Reflux
  • Bindungsstörungen
  • Schwerst mehrfach behinderte Kinder
  • Schädel-Hirn-Trauma (zur Alltagsentlastung als absichtsloses Angebot)

Mögliche Kontraindikationen:

Auch hier ist es natürlich wichtig, den Einzelfall immer individuell zu betrachten und vorab ärztlich abzuklären.

  • Kardiologisch-respiratorische Instabilitäten
  • Beatmete Kinder
  • Wirbelsäulenfehlbildungen
  • Knochenaufbaustörungen

Ziel einer Trageberatung sollte immer sein, die Eltern dort abzuholen, wo sie stehen. Ganz wichtig ist ein Abklären der Trageweise mit dem behandelnden Arzt oder Therapeuten. Eine korrekte Anwendung der ausgewählten Tragehilfe ist Voraussetzung, um eine positive Wirkung zu erzielen und Schäden zu vermeiden.

Die wichtigsten Kriterien für korrektes Tragen im Überblick:

  • Komfort für Eltern und Kind
  • Haltungsaufbau von den Sitzbeinhöckern, korrekte Beckenstellung
  • Dreiklang von angemessener Flexion, Abduktion, Außenrotation
  • Kind ist zentriert und in der natürlichen Haltung unterstützt
  • BWS ist aufgerichtet, kein Zusammensacken
  • Kopf ist stabil und sicher, nicht fixiert, kann sich bewegen
  • Selbstregulation ist möglich
  • Temperatur ist stabil, angemessene Kleidung
  • Kein CO2-Nest
  • Arme in Flexposition
  • Verschiedene Positionen, um Einseitigkeit zu vermeiden
  • Ausreichende Aufmerksamkeit beim Kind, Atmung und Gesicht sichtbar

Lasst uns gemeinsam dieses noch recht neue Feld der Möglichkeiten erforschen und zusammentragen. Nur so ist es möglich, möglichst viele Kinder an ihrem Entwicklungsstandpunkt abzuholen und sie in ihrer Entwicklung zu fördern. Gleichzeitig schaffen wir Eltern eine enorme Hilfe und Entlastung im Alltag, oftmals auf einem nicht sehr einfachen Weg.

Wer über seine Erfahrungen vom Tragen als Unterstützung in der Basistherapie berichten möchte, ist immer herzlich willkommen. Schreibt bitte einfach eine E-Mail an Katrin Ritter unter [email protected]. Gerne mit Foto und kurzer Fallbeschreibung. Wir sind gespannt und freuen uns mit euch, ein neues Tätigkeitsfeld zu erfahren.

Quelle: Leitfaden Physiotherapie in der Pädiatrie, Elsevier, 1. Auflage, 2018, ab S. 388, Birgit Kienzle-Müller und Ulrike Höwer

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