Baby Blues oder Wochenbettdepression? So erkennt ihr den Unterschied

Baby blues nach dem Geburt

Wer ein Baby bekommt, schwebt meistens auf Wolke sieben. So geht es aber nicht jedem frischgebackenem Elternteil. Gerade die ersten Tage und Wochen nach der Geburt sind oft ein Wechselbad der Gefühle. Weinerlichkeit oder Selbstzweifel – das kann schon mal normal sein. Zwischen 50 und 80 Prozent der Wöchnerinnen sind von einem postpartalen Stimmungstief in den ersten 14 Tagen nach der Geburt [1], den sogenannten Baby Blues, betroffen. Die meisten fallen zwischen dem 2. und 5. Tag nach der Geburt in ein emotionales Loch. Normalerweise ist dieses Tief nach wenigen Stunden oder Tagen überwunden. Falls nicht, ist es wichtig, sich frühzeitig Hilfe zu suchen. Woran ihr den Unterschied zwischen Baby Blues und Wochenbettdepression erkennt und was ihr tun könnt, verrät euch unsere Hebamme Katrin Ritter.

Was ist Baby Blues? Warum das Stimmungstief nach der Geburt normal ist

Zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt ­– so fühlen sich viele Mamas in den ersten Tagen nach der Geburt. Der Baby Blues macht sich zum Beispiel durch erhöhte emotionale Empfindlichkeit, Stimmungsschwankungen oder Reizbarkeit bemerkbar. So kann es zum Beispiel sein, dass ihr gerade noch gelacht habt und urplötzlich anfangen müsst zu weinen – ohne genau zu wissen warum. Der Baby Blues tritt erfahrungsgemäß häufiger bei Erstgebärenden auf. Kein Wunder, Schwangerschaft und Geburt sind schließlich hoch-emotionale Zeiten. Die Ursachen sind trotzdem individuell verschieden, da hierbei zahlreiche körperliche, hormonelle, biochemische, psychische, soziale und gesellschaftliche Faktoren ineinanderfließen.

Zu den Symptomen des Baby-Blues können gehören:

  • Stimmungsschwankungen und Empfindsamkeit
  • Müdigkeit und Erschöpfung
  • (übertriebene) Sorgen um die Zukunft und das Neugeborene
  • Niedergeschlagenheit (keine Depressivität)
  • Traurigkeit und häufiges Weinen
  • Reizbarkeit
  • Überforderung
  • Konzentrationsverlust
  • Leichte Appetit- und Schlafstörungen

Wie lange hält der Baby Blues an?

In der Regel ist der Baby Blues nach wenigen Stunden oder Tagen vorbei. Er kann aber auch ein bis zwei Wochen anhalten. Klingt das Stimmungstief auch danach nicht ab, könnte es sich auch um eine sogenannte Wochenbettdepression, peripartale Depression, Angststörung, Zwangsstörung oder eine Psychose handeln. Auch traumatische Erfahrungen bei der Geburt oder in der Schwangerschaft können eine seelische Krise auslösen. Es ist also wichtig, dass ihr euch frühzeitig an eure Hebamme wendet, wenn ihr euch über einen längeren Zeitraum niedergeschlagen fühlt.

Was hilft gegen Baby Blues? Die besten Tipps:

1. Aufklärung – Das Wissen, dass es nach der Geburt zu einem Stimmungstief kommen kann, ist schon die halbe Miete. Eure Hebamme kann euch helfen, mit diesen Gefühlen umzugehen und euch in eurer Kompetenz als Mama zu bestärken.

2. Entlastung – In den ersten Tagen und Wochen mit Baby kann einem schon mal alles über den Kopf wachsen. Holt euch daher so viel Hilfe wie möglich. Lasst euch von eurem Partner bzw. eurer Partnerin entlasten, spannt eure Eltern, Freunde oder Nachbarn ein, um einkaufen zu gehen oder lasst eine Putzfrau kommen. Euer Job im Wochenbett ist es, euch von der Geburt zu erholen, zu regenerieren, euer neues Familienmitglied kennenzulernen und als Familie zusammenzuwachsen. Den Rest dürfen gerne andere übernehmen.

3. TragenStillen, kuscheln und intensiver Hautkontakt fördern die Bindung und sorgen dafür, dass das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet wird. Laut einer neuen amerikanischen Studie (Little et al., 2023) kann die Benutzung einer Babytrage die Symptome eines Baby Blues lindern und auch einer Wochenbettdepression vorbeugen. Beim ergonomischen Tragen Haut-an-Haut seid ihr eurem Baby nah, spürt seinen Herzschlag, könnt es stillen und habt gleichzeitig die Hände frei, um ein paar Dinge im Alltag zu erledigen. So kann euch eure Babytrage dabei helfen, euren Baby Blues zu bewältigen und gesund zu bleiben.

4. Bewegung an der frischen Luft – Schnallt euch euer Baby um oder nehmt den Kinderwagen und dreht – wenn ihr fit genug seid und eure Hebamme euch das „Go“ gibt – eine kleine Runde um den Block. Frische Luft und Bewegung helfen euch dabei, Glückshormone auszuschütten und bringen einen kleinen Perspektivwechsel.

Wochenbettdepression und andere Erkrankungen: häufig eine schleichende Entwicklung

Bei etwa 10 bis 20 Prozent der Mamas entwickelt sich eine psychische Erkrankung durch Schwangerschaft und Geburt [2]. Eine Wochenbettdepression, postpartale oder peripartale (kann schon in der Schwangerschaft entstehen) Depression oder auch eine Angst- und Zwangsstörung sind ernst zu nehmende Erkrankungen in den ersten beiden Babyjahren. Sie sind immer behandlungsbedürftig und klingen nicht von allein wieder ab.

Wochenbettdepression

Typische Symptome der peripartalen Depression können sein:

  • Depressive Stimmung oder schwere Stimmungsschwankungen (inneres Leeregefühl)
  • Müdigkeit und Erschöpfung
  • Übermäßiges Weinen und Traurigkeit
  • Bindungsschwierigkeiten mit dem Kind
  • Zurückziehen von Familie und Freunden
  • Appetitverlust oder übermäßige Lust aufs Essen
  • Schlaflosigkeit (Insomnie) oder Schlafsucht (Hypersomnie)
  • Überwältigende Erschöpfung oder Energieverlust
  • Weniger Interesse oder Spaß an vorher beliebten Aktivitäten
  • Leichte Reizbarkeit und Wut
  • Angst, keine gute Mutter/kein guter Vater zu sein
  • Gefühl der Wertlosigkeit, Scham, Schuld oder Unzulänglichkeit
  • Verringerte Fähigkeit klar zu denken, sich zu konzentrieren oder Entscheidungen zu treffen
  • Starke Angstgefühle und Panikattacken
  • Überlegungen, sich oder dem Kind etwas anzutun
  • Wiederkehrende Selbstmordgedanken

Wer glaubt, eine Mama mit peripartaler Depression liebe ihr Kind einfach nicht genug, liegt falsch. Frauen, die an einer Wochenbettdepression, einer peripartalen Depression oder Angst- und Zwangsstörung leiden, sind immer auf professionelle Hilfe angewiesen. Und die gibt es bei der Hebamme, einer Ärztin oder dem Arzt und bei Schatten & Licht e.V. Sprecht über eure Ängste und Sorgen und lasst euch helfen – egal, ob beim Baby Blues oder einer Wochenbettdepression – ihr müsst und könnt das nicht allein durchmachen. Zudem gibt es einen international anerkannten Fragebogen (Edinburgh-Postnatal-Depression-Scale), der euch hilft, die Lage besser einzuschätzen.

Baby Blues oder Wochenbettdepression

Nach der Geburt durch viele verschiedene Emotionen zu gehen, ist für die meisten frischgebackenen Eltern normal und klingt meist nach wenigen Stunden, Tagen oder Wochen ab. Wenn die Verstimmtheit, der sogenannte Baby Blues, stärkere Ausmaße annimmt oder nicht nach ein paar Wochen abklingt, holt euch Hilfe und überprüft, ob bei euch die Symptome einer Wochenbettdepression oder einer anderen psychischen Erkrankung zutreffen. Generell gilt: Ihr dürft nach Hilfe fragen: ob im Alltag, emotional von Partner*in, Freund*innen oder Familie oder psychologisch von Experten. Mit einem Baby kommen auch viele Gedanken und Herausforderungen und mit diesen muss man nicht allein klarkommen. Beratung und Hilfe für Eltern gibt es außerdem unter der Nummer-gegen-Kummer: 0800 – 111 0 550.

[1] https://schatten-und-licht.de/krankheitsbilder/

[2] https://schatten-und-licht.de/krankheitsbilder/

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