Geburtstrauma: Fühlen, Verarbeiten und Anerkennen

Eltern und ein Neugeborenes

Von Illiyin Morrison, Hebamme mit Spezialisierung auf perinatale Traumata und Begleiterin bei der Geburtsaufarbeitung

Ich bin eher zufällig in die Welt der perinatalen Traumata bzw. Geburtstraumata gelandet. Dahin geführt haben mich eine Reihe von Ereignissen, die mein ganzes Leben geprägt und den Verlauf meiner Karriere verändert haben. Ich bin Hebamme, Mutter, Podcasterin, Autorin und Geburtsaufarbeitungs-Begleiterin. Ich helfe Menschen, ihre traumatischen Erfahrungen mithilfe einer von mir entwickelten Technik zu verarbeiten, die ich den Prozess des Reflektierens, Neudefinierens und Neuausrichtens (reflect, redefine & reframe) nenne.

Diese Methode war entscheidend für meine eigene Heilung und hat sich auch als hervorragendes Tool erwiesen, um anderen zu helfen.

Was ist ein “Geburtstrauma”?

Laut Protokoll war meine erste Geburt eine normale Geburt. Es musste eingegriffen werden, aber laut Protokoll, konnten alle Situationen ohne negative Auswirkungen gehändelt werden. Für Hebammen und Geburtshelfer war meine Geburt ganz normal. Es war das, was sie täglich in ihrem Arbeitsalltag sehen und tatsächlich als “normal” betrachten. Das machte meine Erfahrung eines Geburtstraumas umso schwieriger. Denn für mich fühlte sich meine Geburt alles andere als normal an. Es fühlte sich falsch an, beängstigend, enttäuschend und sehr allein. Aber das wurde nicht dokumentiert. Meine Gefühle wurden nicht anerkannt. Meine Geburt wurde nicht als traumatische Geburt betrachtet und dadurch wurde mir auch keine Unterstützung oder auch nur ein Gespräch darüber angeboten.

Eine Situation wie meine kommt öfter vor, als ihr vielleicht denkt. Denn ob jemand ein Trauma zum Beispiel nach der Geburt hat, liegt daran, was als Trauma wahrgenommen wird. Es gibt Unterschiede zwischen der klinischen Definition, echter Erfahrungen und der Empathie des Gesundheitspersonals. Das soll nicht bedeutet, dass das Klinikpersonal schuld ist, sondern vielmehr, dass ein Trauma eine innere Reaktion auf ein äußeres Ereignis ist. Das bedeutet, dass es für die Menschen, die eine Geburt betreuen, schwierig sein kann, von außen ein Trauma zu erkennen, da er der/die Betroffene ist, der fühlt, ob die Geburt ein Trauma ausgelöst hat oder nicht. Und vielleicht noch nicht einmal bewusst sondern am Anfang eher unbewusst, weil man noch gar nicht ausdrücken kann, was da passiert ist und wie man sich fühlt aufgrund dessen.

Und genau so war es bei mir. Äußerlich war meine Reaktion auf meine Geburtserfahrung in Ordnung und auch die Geburt war gut verlaufen. Aber innerlich herrschte Chaos. Absolutes Chaos.

Die Auswirkungen eines Geburtstraumas.

Nach der Geburt wurde die Geräuschempfindlichkeit für mich zu einem echten Problem, was nicht gerade vorteilhaft ist, wenn man ein Neugeborenes Zuhause hat. Denn das kann manchmal ganz schön laut werden. Wenn ich mein Baby ganz nah bei mir hatte, war es ruhig, was auch mir etwas Ruhe verschaffte.

Geräuschempfindlichkeit ist eine häufige Nebenwirkung eines Geburtstraumas, aber viele bringen es damit nicht in Verbindung, besonders wenn sie zum ersten Mal Eltern werden, da die Lautstärke neu und überwältigend ist.

Während meiner Erholung von der Geburt meiner Tochter werde ich nie vergessen, wie ich zum ersten Mal mit ihr alleine war und sie immer wieder schreien hörte, ohne zu wissen, was ich tun sollte. In meinem überreizten Zustand erinnerte ich mich daran, dass ich noch eine Ergobaby Babytrage in der Kiste unter der Treppe hatte. Ich packte sie aus, setzte meine Tochter hinein und was folgte, war wirklich magisch. Stille.

Es gab viele weitere Auswirkungen des Geburtstraumas, einschließlich Überwachsamkeit, bei der ich echte Panik verspürte, wenn meine Tochter weit von mir entfernt war. Ich dachte, ich könnte alles alleine schaffen und bestand darauf, dass es meine alleinige Verantwortung sei mich um sie zu kümmern. Rückblickend kann ich ganz klar erkennen, dass dies nicht aus dem Wunsch heraus geschah, alles selbst zu machen, sondern aus der Angst, mein Kind könnte von mir entfernt sein. Dies war eine Traumareaktion.

Ich kämpfte auch mit dem Stillen bis zur Besessenheit und entwickelte eine Entschlossenheit, von der ich später erkannte, dass sie aus dem Wunsch heraus entstand, beim Stillen nicht zu “versagen”, wie ich es bei der Geburt empfunden hatte.

Gefühle des Versagens

Eines der größten Probleme, das in meiner Arbeit immer wieder auftaucht und meine eigene Erfahrung widerspiegelt, ist das Gefühl des Versagens. Durch meine eigene Heilung, die ich nun in meiner Arbeit einsetze, habe ich Versagen als Lektion umgedeutet. Dies erforderte eine tiefe Auseinandersetzung damit, was meine Rolle in der Geschichte war und was wirklich meine „Schuld“ war. Ich fand heraus, dass ehrlich gesagt nichts wirklich meine Schuld war. Ich hatte keine Geburtserfahrung. Ich war noch nie in dieser Situation gewesen. Ich war in den Wehen, gestresst und erschöpft. Nichts davon war ein Versagen.

Vieles kann zu einem Geburtstrauma führen, von klinischen Problemen wie Blutverlust, Geburtseinleitung, Notkaiserschnitt oder Sorgen um das Wohlergehen von Mutter oder Kind, aber auch Dinge, die vielleicht nicht traumatisch erscheinen, wie nicht gehört zu werden, sich nicht unterstützt zu fühlen, schlechte Kommunikation, mangelnde Einwilligung und so weiter. Von außen betrachtet mögen diese nicht alle gleichwertig aussehen, aber im Inneren einer Mutter können sie das gleiche Gefühl auslösen. Das bedeutet, dass jedes Trauma individuell ist und auch nur von der Person beschrieben werden kann, das es erlebt hat und von niemand anderem. Es darf von Menschen im Außen einfach so anerkannt werden.

Was tun, nachdem man ein Geburtstrauma hat?

Foto von Illiyin Morrison

Ihr könnt lernen euer Geburtstrauma zu verarbeiten und lernen, damit umzugehen. Dies kann mit Unterstützung durch eine Begleitung wie meiner, z.B. Debriefing geschehen oder durch umfangreichere Traumaheilungsarbeit wie EMDR, Geburtstrauma-Beratung oder andere Beratungen mit einem/einer ausgebildeten Expert*in.

Nach meinem Geburtstrauma nutzte meine eigene Technik, wie oben erwähnt, und erlebte die heilsamste zweite Geburt. Mit meinem Sohn fand ich so leicht in das Mama-Sein, was ich am Anfang nie für möglich gehalten hätte.

Wichtig ist: Die Überwindung eines Geburtstraumas dient nicht nur dazu, weitere Kinder zu bekommen. Ihr entscheidet vielleicht, eure Familie nicht zu vergrößern, aber das bedeutet nicht, dass die Heilung weniger wichtig ist.

Geburtstrauma: Eine wichtige Erkenntnis

Wenn ihr nichts anderes aus diesem Blogbeitrag mitnehmt, möchte ich, dass ihr versteht: Ihr seid wichtig, als ganze Person, unabhängig von eurer Elternrolle. Es ist wichtig, dass ihr Raum für eure Gefühle habt, dass ihr gesehen und bestätigt werdet, dass eure Erfahrungen gewürdigt und eure Heilung priorisiert wird. Vergesst nie: Ihr und euer Geburtstrauma seid wichtig.

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