Stand der Dinge? Augenringe! Da nicken jetzt vermutlich die meisten von euch betroffen mit dem Kopf. Wenn der kleine Schatz uns nachts nicht schlafen lässt, kriechen wir irgendwann auf dem Zahnfleisch. Doch, was die meisten nicht wissen: Kinderschlaf ist besonders und ganz anders als bei uns Erwachsenen, darum ist es wichtig, dass ihr euch gut informiert und am besten schon vor der Geburt mit dem Thema auseinandersetzt. Unsere Expertin Katrin Ritter, Hebamme und Schlafcoach, erlebt bei Familien häufig ein ähnliches Szenario: Das Baby ist da und plötzlich ist alles auf den Kopf gestellt. Die Eltern haben sich so sehr auf dieses winzige, süße Familienmitglied gefreut und eigentlich, ja eigentlich könnte doch alles so wunderbar sein…
Und dann kommt das große ABER: Die langen Nächte mit den kurzen Schlafphasen bringen viele Eltern mit ihrer ständigen Müdigkeit an die Belastungsgrenze. Es tauchen Unmengen an Fragen auf und Eltern zweifeln an sich selbst. Ihr möchtet wissen: Was ist normal und was nicht? Mache ich alles richtig? Gibt es eine Art Gebrauchsanweisung, wie ich mein Baby möglichst effektiv zum Ein-und Durchschlafen bringe? Wie kann ich Schlaf fördern, mein Kind unterstützen und was ist kontraproduktiv? Und die zentrale Frage, wenn Eltern nicht weiterwissen, lautet: Wer hilft mir, wenn ich nicht mehr kann? Wo finde ich Unterstützung? Auf alle diese Fragen wollen wir in den nächsten Monaten hier in unserem Ergobaby Blog Antworten finden. Aber bevor wir dabei in alle Details einsteigen, wollen wir uns heute anschauen, was Ein- und Durchschlafstörungen überhaupt sind und wo ihr adäquate Hilfe finden könnt.
Laut des Pediatric Sleep Councils (2014) schlafen Babys im ersten Jahr insgesamt zwischen 12 und 16 Stunden am Tag. Das klingt sehr viel, aber je nach Alter, Temperament, Familienrhythmus, Bedürfnis nach Nähe, innerer Ausgeglichenheit und Ruhebedürfnis, ist der Schlaf in viele unterschiedlich lange Schläfchen rund um die Uhr aufgeteilt und das ist für viele Eltern zermürbend. Neugeborene haben noch kein Zeitgefühl und der Schlaf ist noch nicht wirklich planbar. Die Entwicklung eines Schlaf-Wach-Rhythmus ist ein Reifeprozess, der sich in ständiger Weiterentwicklung befindet. Erst ab ca. vier Monaten finden Babys so langsam in ihren Rhythmus und der ist individuell von Kind zu Kind und Familie unterschiedlich. Daher muss jede Familie für sich den passenden Weg finden, um die ersten Jahre gut zu überstehen. Denn Fakt ist: Babys rauben Schlaf – und das hat Folgen. Dauerhafter Schlafmangel kann Unkonzentriertheit und Aggressionen verursachen, dünnhäutig und unsensibel machen, Krankheiten fördern, die Abwehr schwächen, bis hin zur völligen Erschöpfung und sogar traumatisieren.
Wir wollen euch nicht die Illusion des frischen Familienglücks rauben, aber es gibt tatsächlich eine Studie der britischen Universität Warwick, gemäß der es nach der Geburt eines Kindes etwa sechs Jahre dauert, bis Eltern wieder genauso lange und ungestört schlafen wie vorher. Denkt bitte immer daran: Das ist trotzdem immer individuell. Vielleicht habt ihr auch Glück und euer Baby schläft von Anfang an ganz wunderbar. Oder ihr seid selbst so stabil, dass euch die schlaflosen Nächte nichts anhaben können. Es ist nur wichtig zu wissen, dass der Schlaf ein unglaublich wichtiges Thema ist. Also nehmt euch die Zeit und setzt euch damit auseinander. Versucht nicht auszuhalten oder stark zu sein, wenn ihr nicht mehr könnt. Wir möchten euch hiermit Mut machen, euren eigenen Weg zu finden, ehrlich mit dem Thema umzugehen und euch Hilfe zu holen, wenn dies nötig ist. Damit meinen wir keine starren Schlafprogramme oder Trainings, die weder individuell auf die Bedürfnisse von Eltern und Kind schauen, sondern bedürfnisorientierte, auf eure Familie zugeschnittene Hilfen und Selbsthilfen, um einen Weg aus der Erschöpfungsfalle zu finden. Schließlich wollt ihr die Zeit miteinander ja genießen können.
Wie definiert man denn nun ein Einschlaf- und Durchschlafproblem?
Ab dem 6. Lebensmonat eines Babys setzt die Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie folgende Kriterien an:
- Einschlafstörung: Unfähigkeit des Kindes ohne elterliche Hilfe einzuschlafen
- Einschlafdauer über 30 Minuten
- Mehr als dreimaliges nächtliches Aufwachen in mindestens 4 Nächten der Woche, mit der Unfähigkeit ohne Hilfen allein wieder einzuschlafen.
- Aufwachperioden unter 20 Minuten
- Beeinträchtigung der Vitalität am Tag
- Verschiebung der Wach-Schlaf-Phasen mit Wachphasen in der Nacht
All das sind Auffälligkeiten, die euch eine Orientierung geben können, ob euer Kind vom natürlichen Schlafverhalten Gleichaltriger abweicht. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Der erste Weg ist immer der Gang zum Kinderarzt, da auch ernsthafte Erkrankungen ursächlich sein könnten. Kann trotz gründlicher Untersuchung und möglicher weiterführender Diagnostik nichts Krankhaftes festgestellt werden, könnt ihr im Rahmen eines Schlafcoaching einen individuellen Weg finden, der dem Entwicklungsstand eures Kindes und den familiären Bedürfnissen entspricht.
Wichtig: Achtet darauf, dass der Coach kein Training nach der Schreien-lassen- oder Ferber-Methode anbietet, sondern eine maßgeschneiderte, bedürfnisorientierte und achtsame Unterstützung zur Selbsthilfe. Ebenso ist der Bestseller „Jedes Kind kann schlafen lernen“ absolut nicht empfehlenswert, da auch hier mit dieser Methode gearbeitet wird. Der Begriff Coaching ist leider nicht geschützt. Daher ist es immer ratsam, euch zu informieren nach welcher Methode gearbeitet wird und ob diese zu eurer Familie passt.
Unsere Hebamme und Schlafcoach Katrin Ritter möchte euch vor allem den Ansatz von Bianca Niermann aus Seeheim-Jugenheim ans Herz legen. Diese arbeitet seit 2006 im Schlafcoaching und hat mittlerweile eine große Anzahl an Coaches in ganz Deutschland ausgebildet. Vielleicht gibt es ja auch jemanden in eurer Nähe? Eine Suche nach Bundesländern findet ihr hier.
Mehr zum Thema Schlaf findet ihr im Ergobaby Blog in den nächsten Monaten. Bis dahin wünschen wir euch erholsame Nächte!