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Kolos… was? Einige von euch können mit diesem Begriff vielleicht so gar nichts anfangen. Vor allem wohl diejenigen unter euch, die noch keine Kinder haben oder die, die aus verschiedensten Gründen schon vor der Geburt wissen, dass sie nicht stillen können oder wollen. Alle anderen haben vielleicht schon von der ersten Muttermilch, auch Erstmilch oder Vormilch gehört oder gelesen. Aber wisst ihr auch, wie ihr sie gewinnen könnt, was sie alles kann und ab wann ihr mit der Milchgewinnung bzw. dem Kolostrum ausstreichen beginnen könnt? Nein? Dann findet ihr hier und heute die passenden Antworten darauf.
Was ist Kolostrum?
Kolostrum ist die medizinische Bezeichnung für die erste Muttermilch, die von eurem Körper während der Schwangerschaft (etwa ab der 16. Schwangerschaftswoche) produziert wird. Sie wird auch Erstmilch, Vormilch, Kolostralmilch oder sogar „flüssiges Gold“ genannt. Ganz auf die Bedürfnisse eures Neugeborenen abgestimmt, ist sie hochkonzentriert und reich an Proteinen und Nährstoffen. Außerdem ist die erste Milch fettarm, für euer Baby einfach zu verdauen und für seine Entwicklung sehr wichtig. Bis zu zwei Drittel der Zellen im Kolostrum sind weiße Blutkörperchen, die vor Infektionen schützen und dem Nachwuchs helfen, Infektionen selbst zu bekämpfen. Außerdem bilden diese Blutkörperchen Antikörper, die Bakterien und Viren neutralisieren können und so den Magen-Darm-Trakt schützen. Die Kolostralmilch ist nicht weiß, sondern dickflüssig, gelblich-orange und durch den hohen Eiweißanteil sehr klebrig.
Warum sollte ich vor der Geburt Kolostrum ausstreichen?
Für jedes Neugeborene ist Kolostrum das ideale Nahrungsmittel nach der Geburt. Es ist perfekt auf die Bedürfnisse des Säuglings abgestimmt. Aufgrund seiner Zusammensetzung können sich die Verdauungsorgane eures Babys langsam und schonend an ihre Aufgaben gewöhnen. Außerdem stabilisiert es die Blutzuckerwerte des Neugeborenen in den ersten Tagen nach der Geburt. Es fördert die Ausscheidung des ersten Stuhlgangs, dem so genannten Kindspech, und verringert aufgrund seiner verdauungsfördernden Eigenschaften die Gefahr einer Neugeborenengelbsucht.
Weil es der Mutter gleich nach der Geburt nicht immer möglich ist, dem neu geborenen Baby frisches Kolostrum über die Brust zu verabreichen (z.B. bei Erkrankungen) oder auch das Baby nicht direkt an der Brust trinken kann (z.B. Trinkschwäche), macht es meistens Sinn, dieses bereits vor der Geburt auszustreichen und zu sammeln. (bei unauffälliger Schwangerschaft frühstens ab der 38. SSW). Weil der Magen eures Neugeborenen nach der Geburt so klein ist wie eine Haselnuss, reichen schon ein paar Tropfen der hochkonzentrierten Milch.
Wer sollte Kolostrum vor der Geburt sammeln?
Kolostrum vor der Geburt auszustreichen und zu sammeln hat Vorteile für alle Frauen und Babys. Allerdings gibt es einige Fälle, in denen es noch wichtiger ist, frisches Kolostrum nach der Geburt parat zu haben.
Mögliche Indikationen bei der Mutter (Liste unvollständig):
- Diabetes Mellitus (Typ 1, Typ 2 oder Schwangerschaftsdiabetes)
- Präeklampsie
- geplanter Kaiserschnitt
- anatomische Auffälligkeiten an der Brust
- schlechte Stillerfahrungen
- Brustreduktionsplastik
- Mehrlingsgeburt
- Erhöhter Body-Mass-Index (BMI)
Mögliche Indikationen beim Kind (Liste unvollständig):
- Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
- Down-Syndrom oder andere Syndrome
- Herzfehler
- Mangelentwicklungen
- Trinkschwäche
- Zu groß geschätzte Kinder (Makrosomie)
Welche weiteren Vorteile der vorgeburtlichen Milchgewinnung (Kolostrum ausstreichen) gibt es?
Die Brust zu massieren und Kolostrum bereits vor der Geburt zu gewinnen hat neben den gesundheitlichen Vorteilen auch den Vorteil, dass ihr eure Brüste besser kennenlernt. Das mag jetzt zunächst seltsam klingen. Aber während der Stillzeit werdet ihr vermutlich häufiger in die Situation kommen, eure Brust zu massieren, um zum Beispiel Milch zu gewinnen oder überflüssige auszustreichen. Und das ist leichter gesagt als getan. Ihr müsst nämlich erst einmal lernen, wie eure Brust funktioniert. Und dazu gehört jede Menge Übung. Während eurer Schwangerschaft werdet ihr definitiv mehr Ruhe und Zeit dafür finden als nach der Geburt. Außerdem habt ihr auf diese Weise schon einmal Muttermilch zurückgelegt für den Fall, dass euer Baby ein bisschen Nachhilfe beim Stillen benötigt.
Ab wann kann ich Kolostrum sammeln?
- Bei unkomplizierten Schwangerschaften ab der 38. Schwangerschaftswoche
- Bei einer drohenden Frühgeburt, bei Mehrlingsgeburten oder geplantem Kaiserschnitt erst mit Geburtsbeginn bzw. einige Tage vor dem Kaiserschnitt (bitte nur in Absprache mit der Hebamme, Arzt/Ärztin, Stillberatung oder Kinderklinik!)
- Ist es euch nicht möglich, während der Schwangerschaft Kolostrum auszustreichen, dann macht es im Kreißsaal mit Hilfe der Hebamme (falls das Anlegen nicht klappt)
Kolostrum ausstreichen: Was benötige ich?
Um vor der Geburt Kolostrum auszustreichen, müsst ihr zunächst die Brust mit Hilfe einer Brustmassage stimulieren. Bitte denkt daran, dass es wirklich ein wenig Übung bedarf. Sollte also die ersten Male – oder auch grundsätzlich – nichts passieren, hat das keine Aussagekraft für euren späteren Stillerfolg.
Wenn ihr Kolostrum sammeln wollt, benötigt ihr am besten spezielle Kolostrum Behälter (z.B. von Medela) oder auch Kolostrum-Sammler, die die Muttermilch direkt auffangen können. Dies sind Einmalbehälter, die fürs Einfrieren geeignet sind. Außerdem benötigt ihr eine saubere Unterlage zum Ablegen der Utensilien. Hygiene ist hierbei wirklich enorm wichtig. Wascht deshalb vorab eure Hände gründlich mit Seife und benutzt Einmalhandtücher oder ein sauberes Handtuch.
Wichtig: Ihr solltet die Brustmassage selbst durchführen, da nur ihr feststellen könnt, ob die Berührung für euch angenehm ist. Und das sollte sie immer sein.
Kolostrum ausstreichen: Wie massiere ich meine Brust?
Macht es euch gemütlich und versucht zu entspannen, bevor ihr mit der Brustmassage beginnt. Wärme hilft dabei. Vielleicht versucht ihr es also zunächst unter der warmen Dusche oder mit einer warmen Auflage.
Zunächst berührt ihr mit den Fingerspitzen sanft die Brust und streicht sanft vom Brustansatz in Richtung Brustwarze. Dann startet ihr zunächst mit einer sanften Brustmassage. Dafür legt ihr eine Hand in C-Form unter die Brust. Mit der zweiten Hand formt ihr ebenfalls ein C und legt diese oben auf dieselbe Brust. Nun beginnt ihr beide Hände sanft in entgegengesetzter Richtung hin und her zu bewegen (rollende Bewegung). Wiederholt diese Bewegung auch vertikal.
Danach stützt eure Brust mit einer Hand und die andere Hand massiert mit drei oder vier Fingern in kleinen kreisförmigen Bewegungen. Diese erste Massage sollte insgesamt zwei Minuten dauern und bereitet eure Brust für die folgende Milchgewinnung vor.
Kolostrum sammeln: Wie kann ich Kolostrum gewinnen?
Um einen Vorrat an Kolostrum sammeln zu können, solltet ihr die Brust regelmäßig ausstreichen. Besprecht das genaue Prozedere bitte unbedingt mit eurer Hebamme oder Stillberaterin. Wichtig ist, dass ihr mit euren Händen nicht über die Haut rutscht und nicht zu nah an der Brustwarze beginnt. Das kann mit der Zeit schmerzhaft werden.
1. Legt eure Hand erneut in C-Form unter die Brust und positioniert euren Daumen und Zeigefinger im Abstand von 2-3 Zentimetern neben der Brustwarze bzw. dem Brustwarzenhof.
2. Schiebt nun Zeigefinger und Daumen etwas zurück (von der Brustwarze weg) und drückt sanft in die Brust (in Richtung Brustkorb und Rippen).
3. Drückt die Finger jetzt leicht zusammen (ohne die Brustwarze zu quetschen) und rollt wieder nach vorne in die Ursprungsposition.
4. Wiederholt diese Bewegung von Drücken, Rollen und Loslassen bis die ersten Milchtropfen zu sehen sind. Tritt keine Milch aus, kann es helfen die Position der Finger etwas zu verändern, z.B. weiter weg von der Brustwarze. Je rhythmischer die Bewegung, desto besser fließt die Milch.
5. Sind die ersten Milchtropfen an der Brustwarze zu sehen, zieht sie mit der Spritze auf oder fangt sie im Kolostrum-Behälter auf.
6. Die Spritze anschließend sofort mit der Verschlusskappe verschließen.
7. Tritt immer weniger Milch aus der Brustwarze aus, verändert die Position eurer Finger rund um den Warzenhof (z.B. oberhalb und unterhalb), um alle Milchgänge der Brust zu massieren.
8. Wiederholt die Brustmassage im Anschluss mit der zweiten Brust.
Anschauen könnt ihr euch die gesamten Ausstreichbewegungen auch nochmal im YouTube Video von hallohebamme.
Noch ein wichtiger Hinweis: Falls ihr ein schmerzhaftes Festwerden des Bauches oder ein Unwohlsein während der Brustmassage verspürt, hört sofort auf damit. .
Wie lagere ich mein Kolostrum?
Nach jeder Brustmassage solltet ihr die Spritzen/Behälter mit Name, Datum und Uhrzeit beschriften und sofort bei -18°C im Tiefkühler oder Kühlschrank lagern oder direkt verfüttern (wenn Kind bereits geboren ist).
Folgende Aufbewahrungszeiten für Muttermilch werden zur Zeit empfohlen:
Wie transportiere ich das Kolostrum ins Krankenhaus?
Wollt ihr euer Kolostrum zur Geburt eures Babys mit ins Krankenhaus nehmen, könnt ihr ein paar der Spritzen/Behälter in lebensmittelechte wiederverschließbare Plastikbeutel legen. Bitte beschriftet auch diese ebenfalls gründlich mit Namen und Datum.
Deponiert die Beutel oder Gefäße in einer Kühltasche zwischen diversen Kühlakkus und informiert eure Hebamme im Krankenhaus darüber, dass ihr Kolostrum mitgebracht habt.
Bitte bringt nicht sofort alle Spritzen mit, sofern ihr einen größeren Vorrat an Kolostrum angelegt habt. Solltet ihr im Krankenhaus mehr benötigen, kann immer noch für Nachschub gesorgt werden.
Wie füttere ich mein Baby mit Kolostrum?
Einige Neugeborene tun sich schwer, an der Brust der Mutter zu saugen. Andere haben Probleme damit, ihren Blutzuckerspiegel zu halten. In diesen Situationen macht es Sinn, eurem Baby Kolostrum zuzufüttern. Seid ihr im Krankenhaus, wird eure Hebamme oder anderes medinisches Fachpersonal das Kolostrum aus dem Eisfach holen, es auftauen (bei Raumtemperatur oder im Kühlschrank) und mit euch zusammen füttern. Aufgewärmt wird die Muttermilch dann unter fließend warmem Wasser. Bitte keine Mikrowelle.
Kolostrum ausstreichen & Kolostrum sammeln
Kolostrum ausstreichen und Kolostrum sammeln hat also viele Vorteile für Mutter und Kind. Der Prozess selbst hilft euch, eure Brust in Ruhe besser kennenzulernen. . Und das „flüssige Gold“ selbst ist ein echter Immun- und Energiebooster für euren Nachwuchs. Also einfach nur perfekt! Traut euch ruhig, mit ein wenig Übung und Unterstützung klappt es bestimmt. Aber holt euch vorher bitte immer noch einmal den Rat eurer Hebamme oder Stillberaterin ab.
Quelle:
https://www.stillen-institut.com/de/gewinnen-und-aufbewahren-von-muttermilch.html
https://www.medela.de/stillen/deine-stillzeit/kolostrum
https://lansinoh.de/blogs/schwangerschaft/kolostrum-wunder-der-natur