Tragetipp: Tragen fördert Kommunikation und Spracherwerb

Ist euer Nachwuchs auch die ganze Zeit am Brabbeln, quiekt vergnügt vor sich hin und gibt Laute von sich? Nein, noch nicht? Dann solltet ihr ihn vielleicht etwas mehr tragen. Denn das fördert den Spracherwerb, weiß unsere Trageberaterin Mieke. Und dieses Wissen will sie heute mit euch teilen, in unserem Expertentipp des Monats:

Für uns Erwachsene ist das Sprechen nahezu so selbstverständlich wie Atmen und Laufen. Doch Babys müssen sowohl Sprechen als auch Laufen lange üben und lernen, bis sie es perfekt und selbstverständlich beherrschen.

Deutsche Babys weinen deutsch
Menschenkinder beginnen bereits im Bauch ihre Muttersprache zu erlernen. Im letzten Drittel der Schwangerschaft hören Babys den Rhythmus, die Melodie und die Stimmmerkmale der Mutter und werden damit so vertraut, dass sie als Neugeborene schon deutlich anders auf ihre Muttersprache oder den Klang von bekannten Stimmen reagieren als auf unbekannte Sprachen oder Stimmen. Eine deutsche Studie hat sogar ergeben, dass wenige Tage alte deutsche Babys eine andere Melodie beim Weinen haben als französische Neugeborene.

Direkt nach der Geburt hat ein Baby trotz der bereits deutlichen Bevorzugung der eigenen Muttersprache eine so sensible Sprachwahrnehmung, dass es jede Sprache der Welt erlernen kann. Im Laufe der ersten Monate richtet sich diese Sensibilität aber auf die eigene(n) Muttersprache(n) – das, was das Baby für die eigene Sprache nicht braucht, wird irgendwann einfach überhört.

Chinesische Babys unterscheiden l und r
So haben Forscher in Studien herausgefunden, dass chinesische Babys die englischen Laute l und r mit wenigen Monaten noch problemlos unterscheiden können. Mit knapp einem Jahr haben sie diese Fähigkeit aber schon wieder verloren, sie nehmen den Kontrast nicht mehr bewusst wahr. Auch die unterschiedliche Mimik können Babys mit wenigen Monaten noch unterscheiden, mit ca. 8 Monaten ist diese Fähigkeit jedoch nur noch bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern zu erkennen.

Tests haben außerdem gezeigt, wie wichtig es für den Spracherwerb ist, dass das Baby die Sprache in direkter Kommunikation erlebt. Werden ihm lediglich Videos und CDs in einer fremden Sprache vorgespielt, konnte kein Lernerfolg in dieser Sprache erzielt werden.

Das Geheimnis des Spracherwerbs liegt also in der engen Beziehung, in der das Kind mit dem Gesprächspartner (Mama oder Papa, Geschwister, etc.) steht und in der direkten Kommunikation und Interaktion – nicht nur mit Worten, sondern auch mit Blicken, Körperhaltung, Stimme, Gestik und Mimik. Oder auch durch Körperkontakt, z.B. durch kitzeln, anpusten oder Quatsch machen. Kinder brauchen Eltern, die von Geburt an häufig mit ihnen sprechen, ihnen Aufmerksamkeit schenken, mit ihnen lachen, Dinge benennen oder ihnen vorsingen.

Das Baby zum Brabbeln animieren
Je häufiger Eltern mit ihren Babys kommunizieren und mit ihnen abwechselnd in einen Dialog treten – und wenn das nur gegenseitiges Nachahmen oder Grimassen ziehen ist – desto mehr wird der Sprachentwicklungsprozess und das Lernen von dialogischer Interaktion (erst bin ich dran, dann du, dann wieder ich) gefördert. Studien haben belegt, dass Kinder, deren Eltern häufiger auf die vom Baby geäußerten Laute reagieren, schneller Sprachstrukturen entwickeln. Wenn also ein Baby mit ca. 2-3 Monaten anfängt zu lautieren, spornt eine Reaktion der Eltern das Kind an, weiter zu brabbeln. Eltern können die Sprachentwicklung ihrer Kinder also ganz nebenbei fördern: Zum Beispiel indem sie ihrem Kind Aufmerksamkeit schenken, beim Wickeln häufiger begleitend erzählen, was sie gerade machen oder auch draußen beim Spazierengehen erklären, was sie gerade sehen, das Kind auf neue interessante Dinge hinweisen und diese gemeinsam betrachten.

In der Trage wird mehr kommuniziert
Wenn die Eltern ihr Baby in einer Tragehilfe tragen, treten sie mit ihrem Kind intuitiv häufiger in einen Dialog. Warum das so ist? Weil sie Lautäußerungen, Mimiken und Gestiken des Kindes einfach „direkt vor der Nase haben“. Das Baby als Kommunikationspartner ist präsenter als auf einer Decke, im Laufgitter oder im Kinderwagen.

Die gemeinsame Untersuchung einer Universität und dem „National Literacy trust“ in England hat ergeben, dass Eltern viel häufiger mit ihrem Kind kommunizieren, wenn das Kind im Kinderwagen zu den Eltern gedreht sitzt, als wenn es in Fahrtrichtung geschoben wird. Außerdem vokalisieren (brabbeln) die Kinder häufiger, wenn sie mit Mama oder Papa Blickkontakt haben, als wenn sie in Laufrichtung geschoben werden.

Und ganz nebenbei wurde in dieser Untersuchung auch noch beobachtet, dass Eltern-Kind-Paare, die Tragehilfen statt Kinderwagen nutzen, eine deutlich höhere Rate an beidseitiger Kommunikation und Lautäußerung aufzeigten. Amerikanische Sprachwissenschaftler wollen deshalb in nächster Zeit untersuchen, ob und wie bedeutend das Tragen für den Spracherwerb sein könnte. Wir sind gespannt und bleiben dran.

14/07/2017

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