Wer kennt das nicht: ihr lauft gefühlt schon seit Stunden im Zimmer auf und ab, euer kleiner Schatz liegt auf eurem Arm oder sitzt in der Trage und es fällt ihm schwer in den Schlaf zu finden. Dabei hat es das so bitter nötig! Und auch ihr hattet euch schon fest auf die kleine Babypause eingestellt, um in der Zeit den riesigen Wäscheberg in Angriff zu nehmen oder einfach mal durchzuatmen. Und jetzt das: egal, welche Einschlafhilfe ihr auch ausprobiert, ob ihr schunkelt, singt, auf dem Pezziball umherhüpft oder die elektrische Federwiege (übrigens ist diese gar nicht zum Schlafen geeignet) auf die höchste Stufe stellt – es klappt einfach nicht und ihr werdet immer nervöser. Und genau hier liegt auch schon das Grundproblem, weiß unsere Hebamme und Schlafexpertin Katrin Ritter. Denn eines der Zauberworte beim Babyschlaf heißt Entspannung und diese bekommt euer Kind nicht, wenn immer mehr Reize von außen auf das Baby einwirken
Die Geschichte vom Säbelzahntiger: Warum brauchen Babys Einschlafhilfe?
Um zu erfahren, warum das so ist, werfen wir einen kurzen Blick auf die Wissenschaft des Babyschlafs. Ein Baby muss warm, satt und müde sein, um in den Schlaf zu finden. Aber nicht nur das. Es muss auch entspannt sein und sich sicher und geborgen fühlen. Und da kommt die Evolution ins Spiel. Denn das Baby fühlt, dass es ohne direkten Körperkontakt zu seiner Bezugsperson in der Nacht erfrieren, verhungern, verdursten oder von Säbelzahntigern gefressen werden könnte. Denn die kognitive Fähigkeit, dass ihr noch da seid, auch wenn es euch nicht sieht, hat euer Nachwuchs erst mit 9-10 Monaten. Daher fühlt sich das allein im Bett liegen auch so furchtbar an. Das klingt so ganz und gar nicht nach Entspannung, oder? Im Gegenteil, denn diese gefühlte Gefahr löst einen Adrenalinschub aus und genau der lässt euer Baby nicht in den Schlaf finden.
Deshalb ist es enorm wichtig, eurem Baby das Gefühl von Sicherheit zu geben. Bei vielen bedeutet das: jede Menge Körperkontakt, je nach Alter eures Schatzes. Vor allem sicher gebundene Babys, die tagsüber auf eine enge, verlässliche Bindung zu ihren Eltern zurückgreifen können, brauchen durch eine immer besser werdende Selbstregulation mit zunehmendem Alter immer weniger Einschlafbegleitung. Also genau andersrum, als unsere Mütter und Schwiegermütter es damals gelernt haben. Je älter die Babys werden, desto wichtiger ist zudem ein ausreichender Schlafdruck und die innere Bereitschaft zum Schlafen – und die hängt wieder eng mit dem oben genannten Zauberwort zusammen: Entspannung. Selbstständig einschlafen kann dann ab dem vierten bis sechsten Monat in sehr kleinen Etappen erlernt werden, indem die elterliche Unterstützung Stück für Stück abnimmt.
Welche Einschlafhilfe für Babys?
Was also könnt ihr tun, damit sich euer Baby wirklich sicher fühlt und damit es wirklich entspannen kann? Folgende Tipps solltet ihr grundsätzlich befolgen:
- Im ersten Lebensjahr (und solange das Kind es möchte) ist ein Familienbett (eigene Matratze fürs Baby!) nach wie vor empfehlenswert. Oder aber ein Elternbett mit großem Beistellbett fürs Kind. Denn so seid ihr immer in der Nähe und die oben genannten Säbelzahntiger haben keine Chance.
- Schafft nach den Empfehlungen zum plötzlichen Kindstod eine sichere Schlafumgebung
- Wählt einen zur Raumtemperatur und Größe eures Kindes passenden Schlafsack, mit entsprechender Kleidung darunter (Baby sollte weder auskühlen, noch überhitzen)
- Die 3-L Regel: Eltern sollten immer leise, langsam und langweilig sein
- Ein abgedunkelter Raum und keine Reize unterstützen den Einschlafprozess
- Um Aufregung zu minimieren, sollte immer alles gleich sein, also auch die Schlafumgebung (gleicher Ort, sichere Schlafumgebung)
- Hungrig schläft man nicht: füttert euer Baby einige Zeit vor dem Schlafen ausreichend
- Positive Verknüpfungen: das Einschlaferlebnis sollte ein positives sein. Vermeidet also Kämpfe und Diskussionen. Sollte es dazu kommen, lieber abbrechen, ans Tageslicht gehen, beruhigen und von vorne beginnen
- Das Kind immer wach, aber schlafbereit ablegen. Legt ihr euer Baby schlafend ab, fühlt sich das wie ein Betrug an, denn euer Kind braucht beim Aufwachen die gleiche Situation wie beim Einschlafen.
- Bedürfnisse wahrnehmen, aber den Blickkontakt vermeiden
- Streicheln, Augen sanft zustreichen
- Durch weiches leises Erzählen, Singen oder Summen bzw. Schsch-Geräusche könnt ihr euer Baby beruhigen
- Rhythmisches, leichtes Poklopfen
- Bei Bedarf Schnuller geben (nach Etablierung des Stillens)
- Sanfte Bewegungsreize setzen (kein stundenlanges Hopsen auf dem Pezziball, keine Federwiege, Umherfahren oder -tragen)
- Vorabendschlaf in der Tragehilfe: das Kind wird dafür nicht ins Bett gelegt, sondern darf bei Mama oder Papa in der Trage schlafen (jeden Tag der gleiche Ablauf)
- Und ganz wichtig: an altersgerechte Wachzeiten halten
Einschlafhilfe für jedes Alter: Alters- und entwicklungsgerechte Schlafbegleitung
Zusätzlich zu den grundsätzlichen Einschlaf-Tipps, die für das gesamte erste Lebensjahr gelten, gibt es solche, die sich im Laufe der Lebensmonate ändern:
Einschlafhilfe 0 bis 3 Monate
- Babys nicht unnötig wachhalten, Neugeborene bauen noch keinen Schlafdruck auf
- Aufregung zuvorkommen/vermeiden
- Anfangs auf dem Arm müde kuscheln, dann zunehmend wacher ablegen
- Neugeborene können tagsüber zur Beruhigung und unter Aufsicht in Wachzeiten gepuckt werden; zum Nachtschlaf aber immer einen Schlafsack verwenden
- Nach vier bis sechs Wochen langsam Einschlafroutinen einführen, mit 2-3 Monaten einen klaren Ablauf etablieren
- Altersgemäße Wachzeit vor dem Nachtschlaf: 60-120 Minuten
- So könnte eure Abendroutine aussehen:
- Stillen/Flasche
- Baden, Massage, Streicheln
- Entspannt bettfertig machen
- Tragen nach Bedarf, auf dem Arm müde kuscheln
- Nochmal Stillen/Flasche, in den ersten Wochen ist es normal, wenn euer Baby beim Stillen einschläft
- Einschlafroutine/Einschlafhilfen s.o.
Einschlafhilfe 4 bis 7 Monate
- Das müde und einschlafbereite Kind kann jetzt lernen selbstständig mit weniger Unterstützung einzuschlafen
- Eltern nehmen sich immer mehr zurück
- Mit vier bis sechs Monaten kann ein Kuscheltier zur Unterstützung eingewöhnt werden; es sollte nicht zu groß sein und unter Aufsicht angewendet werden. Nach dem Einschlafen kann es für nachts griffbereit in der Nähe der Eltern abgelegt werden
- Einschlafroutine sehr wichtig
- Altersgemäße Wachzeit vor dem Nachtschlaf: 2-3 Stunden
- Trinken und Einschlafen unbedingt voneinander trennen; kein Einschlafstillen!
- So könnte eure Abendroutine aussehen:
- Vorabendschlaf mit genügend Abstand zum Nachtschlaf (2-3 Stunden)
- Abendessen ca. 2 Stunden vor dem Zubettgehen
- Spiel- und Badezeit eher ruhig und entspannt
- Massage, Streicheln, leise Lieder
- Wickeln inklusive Schnuller (je nach Bedarf) und Kuscheltier
- Kurz zum Beruhigen tragen, falls nötig
- Letzte Mahlzeit im Hellen, nicht einschlafen lassen
- Einschlafroutine: Kuscheln mit Kuscheltier und/oder Schnuller im Dunkeln mit Tür auf
- Schlafbereites Kind ins Bett legen, so wenig Unterstützung (s.o.) wie möglich, so viel wie nötig; immer weiter reduzieren
- Kein weißes Rauschen oder Musik vom Handy
- Wenn ein Schnuller genutzt wird, mehrere davon im Bett verteilen (ab ca. 6 Monaten)
Einschlafhilfe 8 bis 13 Monate
- Keine körperbezogenen Einschlafhilfen (Stillen, elterliche Finger, Haare…) angewöhnen bzw. gar nicht erst einführen
- Kuscheltier und Schnuller sehr wichtig
- Eltern ziehen sich immer mehr zurück: wegschauen > wegdrehen > wegrücken > weggehen
- Selbstständiges Einschlafen am Tag üben
- Selbstständiges Essen fördern
- So könnte eure Abendroutine aussehen:
- Essenszeit 1,5-2 Stunden vor dem Zubettgehen
- Ruhige Spielzeit
- Baden, Wickeln, Massage, Entspannung
- Leises Erzählen, Bilderbuch anschauen
- Stillen/Flasche
- Wichtig: nach dem Trinken Zähne putzen
- Kuschelzeit im Dunkeln mit offener Tür
- Verabschiedung und gute Nacht sagen
Eigenständig Einschlafen bedeutet Durchschlafen
Ist euer Baby einmal eingeschlafen, heißt das nicht, dass es nun durchschläft. Das ist wohl den meisten klar. Es kann sogar sein, dass euer Nachwuchs stündlich bis halbstündlich wieder aufwacht und nach euch verlangt. Das liegt daran, dass der Schlafzyklus eures Babys in Leicht-, Tief- und Traumschlafphase unterteilt ist. Und ein Zyklus dauert in der Regel 45 bis 60 Minuten. Jedes Mal, wenn euer Baby also nun in die Leichtschlafphase (ein Baby hat mehr Traumphasen als ein Erwachsener) eintritt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es aufwacht und ihr ihm helfen müsst, wieder in den Schlaf zu finden. Das bedeutet aber auch: Kann euer Baby irgendwann selbstständig in den Schlaf finden, liegen die Chancen gut, dass es auch allein weiterschlafen und somit durchschlafen kann. Yay! Folgende Tipps für die Nacht können euch auf dem Weg dorthin unterstützen:
Weiterschlafhilfe Babys 0 bis 3 Monate
- Sofort handeln und beruhigen
- Hat euer Baby Hunger? Dann lasst es immer nach Bedarf trinken, aber nicht nuckeln. Bei guter Gewichtszunahme (bitte in Absprache mit der Hebamme) könnt ihr die Stillabstände immer weiter vergrößern und am Tag mehr stillen/füttern
- Vermeidet, dass sich euer Baby hineinsteigert
- Bietet ihm eine andere Liegeposition an, aber die Rückenlage
- Windeln nur wechseln, wenn es wirklich nötig ist
- Wenn euer Baby keinen Hunger hat, fördert das Weiterschlafen durch leise Sprache, einen Schnuller oder Streicheln
- Bringt eurem Baby bei, dass es normal ist aufzuwachen und in der Nacht dann weiterzuschlafen
Weiterschlafhilfe Babys 4 bis 7 Monate
- Bringt eurem Baby bei, dass Aufwachen kein Grund ist, um zu essen
- Also füttert nur, wenn das Baby wirklich Hunger oder Durst hat und nicht aus Gewohnheit
- Tröstet und beruhigt euer Baby so viel wie möglich und so wenig wie nötig
- Wickelt nur, wenn es absolut nötig ist
Weiterschlafhilfe Babys 8 bis 13 Monate
- Bringt eurem Baby bei, dass Aufwachen normal ist und es allein weiterschlafen kann
- Bei Bedarf könnt ihr mehrere Schnuller im Bett verteilen, damit es diese allein finden kann
- Stillen/Flasche nur, wenn es absolut notwendig ist (Achtung: Karies!)
- Schläft das Kind nicht von allein wieder ein, erstmal nur berühren. Wenn dann noch mehr nötig ist, könnt ihr leise mit ihm oder ihr sprechen
- Bietet grundsätzlich so wenig Unterstützung wie möglich an
Ab wann braucht Baby keine Einschlafhilfe mehr?
Nach Einführung einer für euch guten Schlafroutine könnt ihr euch immer mehr zurückziehen und eurem Baby mehr zutrauen. Bitte hört dabei auf eure Intuition und seid geduldig mit euch selbst, aber besonders auch mit eurem Kind. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und unsere Kleinen müssen besonders im ersten Lebensjahr große Entwicklungsschritte bewältigen. Vergleicht das Schlafverhalten eures Nachwuchses bitte nicht mit anderen Kindern und gebt euch die Zeit, die ihr benötigt. Jede Veränderung könnt ihr für mehrere Tage/Wochen beibehalten, bevor ihr einen nächsten Schritt in Angriff nehmt.
Aber bedenkt folgendes: Bis zu einem Alter von etwa drei Jahren sind eure kleinen Schätze noch auf die eine oder andere Weise auf eure Co-Regulation angewiesen. Bis dahin werden sie wohl immer wieder in der Nacht aufwachen und eure Hilfe zum Weiterschlafen benötigen. Die einen mehr, die anderen weniger. Auch aus diesem Grund ist ein Familienbett bzw. ein großes Beistellbett für alle Beteiligten am einfachsten und am entspanntesten. Denn wenn ihr entspannt seid, ist es euer Kind auch!
Baby Einschlafhilfe: Der 5-Punkte-Plan
Fazit: Wir denken, die Frage „Welche Einschlafhilfe ist die beste?“, ist hiermit eindeutig beantwortet: Ihr seid es! Der 5-Punkte-Plan gibt euch noch nochmal eine kleine Erinnerungshilfe mit den wichtigsten Punkten:
- Sorgt für Entspannung (leise, langsam, langweilig)
- Etabliert eine Einschlafroutine
- Verringert eure Hilfe (Co-Regulation) mit wachsendem Alter des Babys
- Führt einen adäquaten Einschlafkuschelhelfer ein (ab 4-6 Monaten)
- Bietet adäquate Weiterschlafhilfe in der Nacht an, um die Schlafzyklen eures Babys zu verbinden
Viel Erfolg und süße Träume. Ihr schafft das!
Quelle: Babyschlaf, Dr. Daniela Dotzauer, Mabuse-Verlag, 1. Auflage