Das 4. Trimester: Erklärungen und Tipps für die Zeit nach der Geburt

Diese Woche ist European Babywearing Week und die steht in diesem Jahr unter dem Motto „4. Trimester und darüber hinaus“. Doch was genau steckt eigentlich hinter dem Begriff des 4. Trimesters? Ist man nicht eigentlich nur 9 Monate, also 3 Trimester (1 Trimester = 3 Monate) lang schwanger? Unsere Hebamme und Trageexpertin Katrin hat sich dankenswerterweise diesem Thema angenommen. Sie beschreibt im heutigen Expertentipp, was es mit der Entwicklung des Babys während der Schwangerschaft und vor allem in der Zeit unmittelbar nach der Geburt auf sich hat. Und sie verrät, was Eltern ihrem Nachwuchs in diesem 4. Trimester Gutes tun können. 

Neun Kalendermonate oder zehn Lunarmonate lang ist eine Frau in der Regel schwanger. Kommt das Baby nach dieser Zeit wie geplant zur Welt, könnte man ja davon ausgehen, dass es auch dazu bereit und vor allem reif genug ist. Doch das ist tatsächlich nicht der Fall. Denn während die Eltern die Geburt kaum erwarten können – weil sie endlich ihr Baby in den Armen halten wollen und die Mutter sich nicht selten auf das Ende dieser spannenden aber eben auch beschwerlichen Schwangerschaftszeit freut – möchte das kleine Würmchen eigentlich gerne noch etwas im Uterus bleiben. 

Der Entwicklungsprozess, der bis zu diesem Zeitpunkt hinter ihm liegt, ist zwar enorm: pro Minute hat das Gehirn circa 250 000 neue Nervenzellen hinzugefügt und der Körper hat einfach mal das Millionenfache an Gewicht und Komplexität zugenommen. Aber dennoch ist dieses kleine Wunder nach neun Monaten eigentlich noch gar nicht reif genug, um auf die Welt zu kommen. 

Aber warum passiert es dann trotzdem? Ganz einfach: Weil es nach den eigentlich benötigten zwölf Monaten für die Mutter unmöglich wäre, das Baby spontan und auf natürlichem Wege zu gebären. Der Kopf wäre zu diesem Zeitpunkt einfach viel zu groß, um sich mit der entsprechenden Drehung durch den Geburtskanal zu bewegen. Und daher sucht sich der menschliche Körper einen geeigneten Zeitpunkt zur Niederkunft, um die bestmögliche Entwicklung des Gehirns (das überlebenswichtigste Organ des Menschen, das dementsprechend groß und kompliziert entwickelt ist) und eine komplikationslose Geburt zu ermöglichen. 

Die Welt steht Kopf: das Baby im 4. Trimester

Nach der Geburt besitzen die Neugeborenen somit schon einige Fähigkeiten, um zu überleben, sind aber dennoch zu unreif, um sofort gut und selbstständig mit allem klar zu kommen. Damit zeichnet sich an dieser Stelle also schon ab, warum die drei Monate nach der Geburt als „4. Trimester“ bezeichnet werden: diese Zeit braucht das Kind zusätzlich, um nachzureifen und sich zu regulieren. Und dabei stellt es alles auf den Kopf. Für manche Eltern ist dies sogar nach eigenem Empfinden die schwierigste Zeit in ihrem Leben: So schreit das Neugeborene sehr viel. Dieser Schreireflex ist eine angeborene Eigenschaft, die noch aus der Steinzeit stammt. So wurde sichergestellt, dass das Baby nicht vergessen und gegebenenfalls von wilden Tieren gefressen wurde. Außerdem leidet der Säugling in der Anfangszeit häufig unter Blähungen und Bauchweh, weil der gesamte Verdauungstrakt noch sehr unreif ist und sich erst auf Nahrung (Milch) einstellen muss. In diesen Monaten sind die Babys zudem noch nicht in der Lage sich selbst zu regulieren, sondern sind auf die Hilfe von Mama und Papa angewiesen. Sie sollten daher eher wenigen äußeren Reizen ausgesetzt werden (keine Menschenmengen, kein laufender Fernseher, kein Tragen in Blickrichtung), um besser im Leben außerhalb der Gebärmutter ankommen zu können.  

Als Tragling (kein Nesthocker oder Nestflüchter) bringt der Säugling zudem alle anatomischen Voraussetzungen mit, um am elterlichen Körper getragen werden zu können: die leicht gerundete Wirbelsäule, die nach vorn orientierten Hüftgelenke, die Fähigkeit, die Beine in die Anhock-Spreiz-Haltung zu bringen, der Greifreflex, die fehlende Objektpermanenz (das Wissen, dass die Eltern existieren, auch wenn sie nicht im Raum sind), die nach innen gewandten Fußsohlen, der eingeschränkte Sehbereich von circa 20 cm und die Möglichkeit, den Kopf von der Körpermitte nur bis circa 45 Grad drehen zu können. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass das Baby anfangs nicht so gut damit zurechtkommt, ohne entsprechende Hilfe auf einer ebenen Fläche, wie einem Bett oder einem Kinderwagen, abgelegt zu werden. Dies führt zu einer instabilen und unsicheren Lage. Zusätzlich kann es auch einen Mono-Reflex auslösen, also ein ruckartiges Strecken der Arme, Spreizen der Finger und Öffnen des Mundes mit entsprechender Gegenreaktion, so dass der Säugling nicht zur Ruhe kommen kann.  

Nützliche Hilfestellungen im 4. Trimester

Wären wir Kängurus, könnten wir unserem Nachwuchs im körpereigenen Beutel suggerieren, dass es noch im Bauch der Mutter wäre. Sind wir aber nicht. Daher bleibt uns nur, ihm liebevoll, bedürfnisorientiert, mitfühlend und artgerecht dieses Gefühl zu vermitteln. Aber wie war es überhaupt so im Bauch? Überlegen wir mal… im Bauch war das Baby mangels Platzes mit angehockten Beinen eng zusammengerollt, gehalten und begrenzt durch die warmen Wände der Gebärmutter. Es wurde ständig hin- und hergeschaukelt, begleitet durch laute Geräusche, z.B. vom Blut in den Gefäßen. Lange wissen Eltern deshalb schon, dass man Babys einfach und schnell mit den folgenden Maßnahmen beruhigt:

Mit vertrauter Begrenzung und Wärme durch hüftfreundliches Pucken und ergonomisches Tragen am Körper mit einer Babytrage, die ab Geburt einsetzbar ist, wie die Ergobaby Embrace oder die Adapt bzw. Omni 360. Gerade damit spürt das Baby dauerhaft die Körperwärme der Eltern. Der Beruhigungsreflex wird außerdem durch die Seiten- und Bauchlage ausgelöst; dies sollte auf dem Arm bzw. in den Händen der Eltern geschehen. Zum Schlafen sollte immer die Rückenlage präferiert werden, da dies dem Risiko des plötzlichen Kindstods vorbeugt. Gerade in den späten Nachmittagsstunden oder am frühen Abend, wenn das Baby überreizt und nur schwer zu beruhigen ist, bietet der Babybadeeimer (Schweben und Schwimmen wie in Mamas Bauch) eine große Hilfestellung.

Mit vertrauter Bewegung durch ergonomisches Tragen am elterlichen Körper mit gut gestütztem Rücken und Kopf – je nach Alter in wechselnden Tragepositionen wie der nach innen gewandten Bauchtrageweise, der Hüft- und Rückentrageweise. Ab dem 6./7. Monat dann auch in der nach außen gewandten Fronttrageweise, um das Kind aktiv in seinen Bedürfnissen zu unterstützen (Integration in den familiären Alltag). Brauchen die Eltern mal eine Pause oder können aufgrund von Beschwerden nicht tragen, eignet sich eine ergonomische elektrische Schaukel oder Federwiege, um das Baby in gewohnte Welten zu versetzen.

Mit vertrauten Geräuschen und Geruch. Das Tragen des Babys ermöglicht sowohl Hautkontakt als auch eine sehr vertraute Geräuschkulisse. Der Herzschlag der Eltern und der vertraute Geruch lassen das Neugeborene und Baby spüren, dass es in Sicherheit ist. Auch nachts, in einem Beistellbett am elterlichen Bett, riecht und spürt das Kind seine Eltern und lässt es beruhigt schlafen. Mamas oder Papas Hand können das Baby streicheln und Ruhe sowie Sicherheit vermitteln. Gleichzeitig fördert und vereinfacht sowohl das Tragen als auch ein Beistellbett den Stillprozess und das so wichtige Bonding.

Mit diesen einfachen Mitteln können Eltern ihrem Neugeborenen den Übergang von Mamas Bauch ins Leben, also das 4. Trimester, so einfach wie möglich machen. Sie versetzen das Baby solange in eine vertraute, angenehme, beruhigende und rhythmische Welt zurück, bis es wirklich reif genug ist, mit den vielen neuen Eindrücken und Anforderungen selbständig zurecht zu kommen. Und eines ist dabei garantiert: Verwöhnen könnt ihr euer neues Familienmitglied damit wirklich nicht!

Quelle: Dr. Harvey Karp, Das glücklichste Baby der Welt, Mosaik, 2003

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