Stilltipp: Einmal zufüttern, immer zufüttern?

Es ist ein leidiges Thema für viele Eltern: das Zufüttern. Die Gründe dafür sind vielfältig, wie unsere Stillexpertin Sandra weiß. Sie verrät euch in unserem Expertentipp des Monats, warum einige Babys Ersatzmilch benötigen und ob es einen Weg zurück zum Vollstillen gibt.

Es gibt viele Gründe dafür, dass ein Baby zugefüttert werden muss. Zum Beispiel ist für manche Mütter das Stillen schmerzhaft oder es müssen Medikamente eingenommen werden. Andere wiederum entscheiden sich kurzfristig oder generell gegen das Stillen. Und auch sobald ein Baby Probleme bei der Gewichtzunahme hat, wird Eltern geraten, dem Baby zusätzlich Ersatzmilch zu geben.

Und obwohl die Gesundheit und Entwicklung des Babys für Eltern an erster Stelle steht, hört man immer wieder ein genervtes „Ich MUSS zufüttern.“ In meiner Praxis begegne ich regelmäßig Eltern mit dem Wunsch, ihr Baby komplett an der Brust zu ernähren. Die große Frage lautet dann: „Einmal zufüttern, immer zufüttern?“

Jeder Tropfen Muttermilch zählt

Der gesellschaftliche Druck beim Thema Kinderernährung ist enorm, das dürfen wir nicht vergessen. Diesem Druck ist jede Mutter ausgesetzt, wenn sie nicht stillt oder die Flasche dazu gibt. Und genau deshalb sage ich klar und deutlich: Bitte, liebe Mütter, lasst euch nicht verunsichern! Wenn ihr eine Zeit lang Muttermilch mit dem Gläschen kombiniert, ist dies nicht der Anfang vom Ende. Grundsätzlich gilt, jeder Tropfen Muttermilch zählt und ist gesund für das Baby. Denn Muttermilch enthält körpereigene Abwehrstoffe – auch wenn die Muttermilch noch nicht zum Vollstillen reicht.

In den meisten Fällen, in denen mich die Eltern frühzeitig aufzusuchen, stehen die Chancen sehr gut, die Milchproduktion zu steigern und das Baby voll zu stillen. Ich empfehle immer, den Schritt zum Zufüttern sorgfältig zu überlegen und mit der Hebamme genau zu besprechen. Im Idealfall kann sogar Kontakt zu einer Still- und Laktationsberaterin aufgenommen werden. Sie begleitet einen in dieser Situation, man bespricht gemeinsam das Stillmanagement und beobachtet, wie häufig das Baby in 24 Stunden trinkt.

Mehr Milch durch Ernährung

Um die Milchbildung zu steigern, ist es oft hilfreich, das Baby häufiger anzulegen und dabei darauf zu achten, dass es effektiv trinkt. Auch die Stillpositionen und das Anlegen des Babys werden beobachtet. Eine Still- und Laktationsberaterin wird sicherlich den einen oder anderen wertvollen Tipp geben können. Auch in Sachen Ernährung. Sie weiß, welche Lebensmittel gute Energielieferanten sind, welche die Milchbildung unterstützen und welche Getränke empfehlenswert sind. Stilltees beispielsweise können unterstützen, jedoch ist nicht jeder von ihnen effektiv.

Darüberhinaus ist es aber besonders wichtig, dass die Mutter Hilfe und Entlastung erfährt. Denn so wird sie gegebenenfalls Zeit finden, zusätzlich mit einer Milchpumpe die Brust zu animieren und die Milchbildung zu steigern.

Zufüttern mit Becher, Pipette und Co.

Ist die Gewichtsentwicklung der Grund für eine Zufütterung, sprechen Eltern und Still- und Laktationsberaterin gemeinsam über die Möglichkeiten der Zufütterung. Es muss nämlich nicht immer zwingend die Flasche sein. Auch Fingerfeeder, Becherfütterung (z.B. Softcup), Spritze, Pipette, Teelöffel oder ein Brusternährungsset können verwendet werden. Sollte die Entscheidung auf die Flasche fallen, ist ein Einlochsauger die beste Wahl, damit das Baby sich etwas anstrengen muss.

Doch wann füttere ich eigentlich zu? Das ist eine gute Frage, die allerdings individuell entschieden wird. Grundsätzlich sollte viel und regelmäßig gestillt werden. Am besten immer mit beiden Brüsten und gegebenenfalls mehrmals, um die Brust anzuregen. So erhält das Baby möglichst viel Muttermilch. Nach dem Stillen kann dann nach- beziehungsweise zugefüttert werden. Um es so natürlich wie möglich zu gestalten, sollten lieber häufiger kleine Mengen, anstatt zweimal täglich große Mahlzeiten zugefüttert werden. Ein Stillbaby ist eben viele kleine Mahlzeiten gewöhnt. Zehn- bis zwölfmal sollte bei einer schlechten Gewichtszunahme des Babys gestillt werden. Später ist die Stillhäufigkeit individuell anpassbar. Alles ist erlaubt und normal und variiert zwischen sechs bis 18 Mal am Tag.

Homöopathie und Medikamente

Wenn all diese Bemühungen nicht ausreichen, um die Milchbildung in Schwung zu bringen, wird die Still- und Laktationsberaterin euch zu einer homöopathischen oder medikamentösen Unterstützung beraten. Hat die Mutter zum Beispiel einen niedrigen Prolaktin-Spiegel, kann etwa Domperidon eingesetzt werden. Das Medikament ist allerdings verschreibungspflichtig. Tatsächlich können Probleme bei der Milchbildung auch immer medizinische Ursachen haben. Plazentareste und Schilddrüsenerkrankungen können zum Beispiel eine Ursache für diese Problematik sein.

Ein sehr wichtiger und eigentlich auch der schwierigste Punkt bei der Steigerung der Milchbildung ist und bleibt aber die Entspannung! Und die klappt eben nicht auf Knopfdruck. Angst um das Baby und dessen Gewichtsentwicklung trägt natürlich dazu bei, dass eine Mutter angespannt ist. Hinzu kommt noch die Angst, generell nicht genug Milch für das Baby zu haben. Doch genau diese Anspannung kann es am Ende sein, die den natürlichen Milchspendereflex blockiert.

RELATED POSTS