Eltern mit Rückenproblemen in der Trageberatung

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Es ist ein Thema, das wohl jeder von uns kennt – das aber vor allem auch immer wieder während und nach Schwangerschaften auftritt: Rückenschmerzen. Wer in einer Trageberatung mit eben diesem Thema von hilfesuchenden Eltern konfrontiert wird, der ist sich vielleicht nicht sicher: was steckt wirklich hinter diesen Symptomen und kann ich als Trageberaterin helfen?  Unsere Hebamme und Trageexpertin Katrin hat sich diesem Thema im heutigen Expertentipp angenommen und weiß, worauf ihr in solch einer Situation achten solltet.

Nicht selten kommt es vor, dass Eltern sich erst eine Tragehilfe kaufen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Heißt, sie haben Rückenschmerzen und suchen nach einer adäquaten Lösung. Dass Tragehilfen nicht nur für die kindliche Entwicklung wichtig sind, sondern auch den elterlichen Rücken, Schulter- und den Beckenbereich entlasten, steht leider zu selten im Fokus. Aber was kann eine Hebamme oder Trageberaterin nun bei Pathologien wirklich leisten und wo sollte sie sich abgrenzen? Dürfen Eltern in der ausgewählten Tragehilfe tragen und tut das ihrem Rücken wirklich gut? Gibt es Unterschiede bei den verschiedenen Tragepositionen und was empfehle ich den Eltern in der Beratung?

Fakt ist, ein Kind mit oder ohne Tragehilfe zu tragen, ist in jedem Fall erstmal eine ungewohnte körperliche Belastung. Neugeborene und Babys sind nun mal evolutionär bedingt Traglinge und sollten nach der Geburt am elterlichen Körper getragen werden und nachreifen, bis sie sich allein fortbewegen können. Was kann man aber tun, wenn dies zu Schmerzen führt?

Eine stabile Körpermitte ist das A und O

Schwangerschaft und Geburt sind für die Mutter eine enorme körperliche Belastung und Anstrengung. Die Beckenboden-, Bauch- und Rückenmuskulatur ist stark beansprucht, überdehnt und instabil. Die Mutter muss sich langsam regenerieren und ihre stabile Körpermitte wiederfinden. Dafür braucht es Zeit, Geduld, liebevolle Betreuung von Partner und Familie und die richtigen Maßnahmen. So kann Rückenschmerzen oft schon wirksam vorgebeugt und Bandscheibenvorfälle vermieden werden. Und auch der Vater kann selbstverständlich davon betroffen sein. Kann man denn mit Schmerzen im Rücken überhaupt tragen?

Birgit Kienzle-Müller als Physiotherapeutin sagt, dass beim ergonomischen Tragen generell eine aufgerichtete Haltung der Eltern wichtig ist. Das heißt, Ausweichbewegungen sollten in jedem Fall vermieden werden. Diese führen zu Fehlhaltungen und einer Verkürzung der Muskulatur. Zusätzlich können dann noch Bewegungsmangel, einengende Kleidung, falsche Schuhe, eine nicht passende Tragehilfe und ein aufgelockertes Bindegewebe zu Verstärkung der Beschwerden – meist in den Iliosakralgelenken und in der Hals- bzw. Brustwirbelsäule – führen.

Was aber ist eine Ausweichbewegung? Normalerweise besteht der Körper aus drei wichtigen Bausteinen: dem Kopf, dem Becken und dem Brustkorb – diese stehen übereinander. Verlässt nun eines dieser Bausteine seine Mitte, müssen Muskeln vermehrt Haltearbeit leisten und es kommt zu einer Überbeanspruchung. In der Fehlhaltung kommt es dann zu einer Hyperlordose der Lendenwirbelsäule (LWS) und Halswirbelsäule (HWS) und zu einer Hyperkyphose der Brustwirbelsäule (BWS). Daraus ergibt sich ein Muskelungleichgewicht, welches zu Schmerzen führt. Bei längeren Fehlbelastungen kann das dann sogar zu Arthrose in den Gelenken und zu einem Bandscheibenvorfall führen.

Die korrekte Haltung

Birgit Kienzle-Müller bezeichnet die korrekte Haltung folgendermaßen: von der Seite her gesehen bilden Ohr, Schulter, Hüfte, Ferse eine Linie; von vorn stehen die Schultern über dem Becken. Außerdem zeigen die Knie locker nach vorne, das Fußgewölbe ist aufgerichtet, der Kopf mittig zwischen den Schultern, der Hinterkopf strebt nach hinten oben, das Brustbein nach vorne oben, die Schultern fallen locker nach unten, der Bauchnabel wandert nach hinten zur Wirbelsäule und das Becken kippt zwischen die Beine nach vorn. Der Fuß steht auf der äußeren Ferse und die Beine stehen hüftbreit auseinander.

Hier haben wir euch eine Reihe von Lösungsansätzen von Birgit Kienzle-Müller und uns zusammengestellt:

  • Wichtig: Pathologien und Krankheiten gehören immer in die Hand eines Arztes. Klagen die Eltern über akut starke Schmerzen lautet die Empfehlung immer dies vor dem Tragen ärztlich abklären zu lassen, damit man als Trageberaterin und Hebamme entsprechend bei der Auswahl der Tragehilfen darauf eingehen kann.
  • Für die Mutter ist wichtig, dass sie das Tragen nach der Geburt langsam angeht, d.h. mit Baby viel liegen, kuscheln und regenerieren, Beckenboden, Rücken- und Bauchmuskulatur schonen (Wochenbett einhalten).
  • Mit kurzen Tragezeiten anfangen und langsam steigern.
  • Passende Tragehilfe wählen und auf jeden Fall in der Beratung mit den Eltern verschiedene Varianten ausprobieren und die unterschiedliche Gewichtsverteilung erspüren lassen.
  • Eltern verschiedene Tragehilfen im Alltag testen lassen.
  • Mütter sollten auf jeden Fall den von den Krankenkassen bezahlten Rückbildungskurs in Anspruch nehmen. Zusätzlich kann nach Anweisung der Hebamme zu Hause geturnt werden.
  • Tragehöhe den eigenen Proportionen, der Größe des Kindes und der Tragehilfe bzw. Trageposition anpassen, aber immer am Körpermittelpunkt.
  • Schultergurte gerne überkreuzen (aktiviert die Schulterblattmuskulatur) bzw. den Brustgurt immer auf Mitte der Schulterblätter tragen und gut festziehen.
  • Taillengurt gut festziehen, damit dieser nicht rutscht.
  • Komforttragen mit Lordosenstütze bevorzugen, da dieser im LWS-Bereich den entlastenden Gegenpunkt zum kindlichen Gewicht darstellt
  • Symmetrische Tragepositionen (Bauch- und Rückentrageweise) bevorzugen, Hüfttrageweise nur für kurz zwischendurch.
  • Bequeme Kleidung und Laufschuhe tragen, keine Schuhe mit Absätzen.
  • Wenig auf dem Arm tragen, immer mit Tragehilfe.
  • Die Babyschale im Auto lassen und diese nicht tragen.
  • Variantenreiches Tragen durch verschiedene Tragepositionen, je nach Alter des Kindes.
  • Bei einem ausgeheilten Bandscheibenvorfall kann getragen werden, aber immer mit Vorsicht: dieser kann durch eine banale Bewegung erneut ausgelöst werden (gerne vorher mit dem behandelnden Arzt besprechen).
  • Bei Rückenproblemen auf jeden Fall auch mal den Kinderwagen/Buggy, z.B Metro+, benutzen, eine gute Mischung aus Tragen und Schieben finden.

Quelle: Tagungsband Dresdner TrageTage, 26.-28. Mai 2016, Birgit Kienzle-Müller, Rückenschmerzen der Eltern in der Trageberatung, S. 32-34

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