Um die diesjährige Black Babywearing Week zu feiern, möchte Kaytee Crawford (IBCLC, CD, CST) euch die Geschichte ihres dritten Kindes erzählen und wie das Babytragen ihr auf ihrer Reise geholfen hat. Wie der Titel schon verrät, wurde bei ihrem Kind Autismus (Neurodivergenz) diagnostiziert und auf diesem Weg hat das Tragen im wahrsten Sinne des Wortes eine tragende Rolle gespielt. Kaytee hat erfahren, wie wichtig Babytragen für ein Kind mit Autismus ist und wie es den Alltag erleichtern kann.
Wichtig ist zu sagen, dass die Erfahrung einer jeden Mutter (und jeden Vaters) individuell ist. Und auch zum Thema Autismus: Kaytee hat uns erzählt, dass ein Freund von ihr einmal gesagt hat, dass, wenn man eine Person mit Autismus trifft, man nur eine Person mit Autismus getroffen hat. Denn jeder Mensch und jedes Kind mit Autismus ist einzigartig und die Reise komplett individuell. Wir teilen hier eine von vielen Geschichten und hoffen, dass sie euch informiert und bestärkt, wenn ihr das gerade braucht und freuen uns, wenn ihr auch mit uns eure Geschichte teilt. Die folgende Geschichte ist aus Kaytees Perspektive erzählt:
Alles begann mit dem Tragen
Diese Geschichte beginnt im Jahr 2010. Damals war ich mit unserem ersten Kind schwanger und bekam bei meiner Babyparty ein Tragetuch geschenkt. Als frischgebackene Mutter wusste ich nicht viel darüber, aber ich war fest entschlossen es zu probieren. Ich erinnere mich, dass ich viele YouTube-Videos angeschaut habe, um herauszufinden, wie ich richtig binde. Als ich es geschafft hatte, fühlte ich mich UNSCHLAGBAR. Mein erstes Kind wurde im Frühjahr 2011 geboren und wir waren ein Trage-Team. Ich trug mein Kind meistens im Tragetuch und das hat perfekt für mich funktioniert. Als er dann ein Jahr alt war, habe ich aufgehört, ihn oft zu tragen, weil er ein so aktives und selbstständiges Kind war.
Im Winter 2012 kam unser zweites Kind auf die Welt, und wieder holte ich mein alt bewährtes Tragetuch heraus, und trug mein Baby damit. Allerdings gehörte zu dieser Zeit auch ein Beco Butterfly (die Expert*innen werden die Tragehilfe kennen) zu meiner Trageausrüstung. Eine meiner liebsten Freundinnen hatte sie mir geschenkt und ich habe die Trage bei meinem zweiten Baby SO oft benutzt. Das Tragetuch wurde also durch die Beco Babytrage eingetauscht. Die Trage sah zwar komplizierter aus als das Tragetuch, aber im Nachhinein betrachtet hat es super funktioniert.
Meine Trageliebe
Im April 2016 wurde unser drittes Kind geboren. Er war zwar nicht geplant, aber wir haben uns so gefreut und er war genau das, was unsere Familie gebraucht hat. Ich lernte immer mehr über das Tragen von Babys und als ich einen RingSling bei einem Gewinnspiel gewann, verliebte ich mich in meine dritte Tragehilfe. Ich lernte, wie ich meinen RingSling richtig benutze und tauchte dann immer tiefer in die Welt der Tragehilfen ein. Ich erfuhr mehr über gewebte Tragetücher, Mei Tais und verschiedene Tragepositionen wie das Tragen auf dem Rücken oder auf der Hüfte.
Zu dieser Zeit war ich geradezu BESESSEN vom Tragen. Rückblickend betrachtet, fühlte es sich fast instinktiv an, meine Kind zu tragen. Ich hatte das Verlangen, mein Kind ganz nah bei mir zu haben. Ich wusste nicht, warum ich dieses Gefühl hatte, aber jetzt weiß ich es. Dieser Instinkt sollte ihm helfen, sich so gut wie möglich zu entwickeln, bevor wir überhaupt daran dachten, dass er vielleicht besonders sein könnte. Und ja, er ist besonders, aber auf die bestmögliche Art und Weise, und ich denke, das ist es, was jeden Menschen einzigartig und interessant macht... unsere Unterschiede.
Das Tragen meines dritten Kindes
Das Tragen meines dritten Kindes war ein konstanter Teil unsere Alltags geworden. Es war auch notwendig, denn ich hatte einen 3-jährigen und einen 5-jährigen Sohn zu versorgen, denn mein Mann ging am dritten Tag nach der Geburt wieder arbeiten. Außerdem fühlte sich mein drittes Kind ganz nah bei mir immer am wohlsten. Er wollte meinen Herzschlag hören und so oft wie möglich in meiner Nähe sein. Ich erinnere mich, dass ich ihn fast jede Nacht in meinen Armen hielt, weil er sich dort am wohlsten fühlte. Er war kein unglückliches Baby, ganz im Gegenteil. Er war das glücklichste Baby, das man je gesehen hat, und er ist immer noch das glücklichste Kind, das man je sehen wird. Ich konnte jedoch erkennen, wenn er sich unwohl fühlte und Nähe brauchte.
Das Rückentragebaby
Ich habe das Gefühl, dass es aktuell in Mode ist, über all die Anzeichen von Autismus zu sprechen, die die Leute bei ihren Babys feststellen. Viele Menschen fragen mich, welche Anzeichen mir bei unserem dritten Kind aufgefallen sind, und um ehrlich zu sein? Uns ist wirklich nichts aufgefallen. Auch er war das perfekte Baby und ich glaube fest daran, dass das Tragen viele der „typischen Anzeichen" auf eine gute Art und Weise überdeckt hat. Vielen sensorischen Kindern und Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen hilft tiefer Druck oder eine Tiefendrucktherapie (so auch meinem), um sich reguliert zu fühlen. Ich glaube, weil ich ihn ständig trug und eine Tragehilfe ein Kind eng umschließt, war er immer gut reguliert, so dass wir nicht dachten, dass irgendetwas an ihm anders war oder dass er vielleicht mehr Unterstützung oder besondere Hilfe brauchte. Außerdem wurde uns von vielen Familienmitgliedern gesagt, dass einige meiner Bedenken normal für ein drittes Baby seien und dass sie immer Spätzünder sind.
Mein Tipp: wenn euer Bauchgefühl euch sagt, dass etwas nicht stimmt, solltet ihr darauf vertrauen, auch wenn andere euch das Gegenteil raten.
Das erste Lebensjahr
Im ersten Jahr habe ich unser drittes Kind wahrscheinlich zu 75 % am Körper getragen, zu 20 % in den Armen und zu 5 % in einem Kinderwagen. Ich fing auch an, mich ehrenamtlich in meiner örtlichen Tragegruppe zu engagieren und habe immer noch Freunde an diesem Bereich. Die Gruppe und meine Freunde nannten meinen Sohn liebevoll "The Back Wrap Baby" (Rückentragebaby), weil er es liebte, getragen zu werden, besonders auf dem Rücken. Er konnte buchstäblich gerade von einem Nickerchen aufgewacht sein und wurde dann auf den Rücken von jemandem gelegt und schlief wieder ein, nachdem er sich eingekuschelt hatte. Je enger, desto besser! Erst, als er etwa 2 Jahre alt war, bemerkten wir, dass unser drittes Kind etwas anders war als seine älteren Geschwister.
Die ersten Anzeichen & die Diagnose
Zuerst haben wir darauf gewartet, dass er redet oder uns ansieht und mehr mit uns interagiert. Ich wusste nicht, was mit ihm los war und warum das jetzt passierte. Er hatte sich zurückentwickelt und so viele Dinge, die er bereits gelernt hatte, konnte er jetzt nicht mehr. Er war immer noch völlig glücklich und ruhig und hatte keine Ausbrüche oder große Stimmungsschwankungen. Das einzige Problem war, dass ich ihn nicht mehr wie früher trug.
Im Sommer 2019 wurde dann bei ihm eine Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert, als er gerade 3 Jahre alt war. Zu diesem Zeitpunkt trug ich ihn seit etwa einem Jahr nicht mehr ständig.
Ich will ehrlich sein, am Anfang habe ich mir viele Vorwürfe gemacht. Es war hart zu hören, dass mein 3-Jähriger die kognitiven und verbalen Fähigkeiten eines 6-9 Monate alten Kindes hat. Das war ein Schlag ins Gesicht. Außerdem wusste ich nicht viel über Autismus, nur die Horrorgeschichten, die man in den Medien hört. Ich begann, mehr darüber zu recherchieren und unseren Sohn bei seinen verschiedenen Therapien zu begleiten. In dieser Zeit erfuhr ich mehr über sein Bedürfnis nach tiefem Druck und viele Dinge begannen besser zu funktionieren. Der tiefe Druck (wie bei einer Tiefdrucktherapie) regulierte ihn. Das war einer der Gründe, warum wir diese Anzeichen nicht früher sahen – das viele Trage hatte ihm genau gegeben, was er gebraucht hatte.
Hier ist noch einmal wichtig zu erwähnen, dass das meine Erfahrungen sind, und die Erfahrungen anderer Eltern können und werden wahrscheinlich ganz anders sein.
Nach der Diagnose begann ich, ihn wieder mehr zu tragen. Ich war jetzt Trageberaterin, also nahm ich ihn zu den Treffen mit und hatte ihn die ganze Zeit im Tragetuch auf dem Rücken. Einen 3-Jährigen in einem Tragetuch sicher gebunden zu tragen, war zwar nicht ganz einfach (er war schon immer groß für sein Alter), aber die Vorteile überwogen eindeutig.
Baby Nummer 4
Das nächste Jahr verbrachte ich damit, meine vierte Schwangerschaft, die damit verbundene Übelkeit und Covid zu bewältigen. Unser viertes Kind kam im Herbst 2020 zur Welt, und da wir immer noch zu Hause und in Quarantäne waren, stürzte ich mich noch weiter in das Thema Tragen. Ich glaube, rückblickend war damit auch ein bisschen Angst verbunden. Ich wollte unser viertes Kind so schnell wie möglich tragen, weil ich wollte, dass es die gleichen Möglichkeiten hatte wie unser drittes Kind, für den Fall, dass es auch neurodivergent ist.
Der Unterschied war, dass unser viertes Kind neurotypisch war und ist und es nicht mochte, so eng wie sein Bruder an mir zu sein oder ständig getragen zu werden (und ich habe es versucht... es gibt eine Menge Videobeweise). Er war auch damit zufrieden, allein zu liegen und einfach nur zu sein. Es war eine seltsame Umstellung, aber ich trug unser drittes Kind immer noch, obwohl er jetzt 4,5 Jahre alt war. Ich habe auch viel im Tandem getragen (ein Kind vorne, eins hinten), was mir viel Spaß gemacht hat, da ich das schon bei meinem zweiten und dritten Kind oft gemacht habe.
Selbst jetzt, mit 8 Jahren, trage ich unseren dritten Sohn noch manchmal. Wir haben ein paar tolle Tragehilfen, die Gewichtsgrenzen von 30 – 35 Kilogramm haben, so dass wir ein bisschen Spielraum haben. Es sind immer noch seine langen Beine, die im Weg sind, aber sobald er auf meinem Rücken ist, fühle ich mich in die ersten Jahre mit ihm zurückversetzt, in denen er sich an meinen Körper gekuschelt hat. Nur, dass jetzt die Ängste vor dem Unbekannten und die Schuldzuweisungen an mich selbst weg sind, weil es nichts oder niemanden gibt, dem man die Schuld an dieser Diagnose geben kann.
Die Auswirkungen des Babytragens auf Kind mit Autismus
Autismus ist nicht das Ende der Welt, und je mehr ich über mein Kind erfahre (und über mich selbst), desto mehr wird mir klar, was für eine Superkraft Autismus sein kann. Er ist durch seine Therapien und unsere Betreuung so sehr aufgeblüht. Manchmal frage ich mich, ob wir mehr Herausforderungen hätten, wenn ich ihn nicht so oft getragen hätte. Ich frage mich, ob das Tragen und die ständige Regulierung, die er 2 Jahre lang erfuhr, ihn in seinen frühen Kinderjahren aufblühen ließen. Die Frage von "Was wäre wenn" ist normal, aber ich werde es nie wirklich wissen. Ich werde der Möglichkeit des Babytragens für immer dankbar sein für die Bindung, die ich dadurch zu all meinen Kindern aufbauen konnte, aber besonders zu meinem Dritten. Wenn es das Tragen nicht gäbe, weiß ich nicht, wo wir auf unserer Reise mit unseren Kindern heute stehen würden, und ganz ehrlich? Ich möchte es nicht wissen.
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