Hüftdysplasie Baby: Frühzeitig erkennen, richtig behandeln

„Hauptsache gesund“, heißt es so oft – wenn Eltern nach dem Wunschgeschlecht für das erwartete Baby gefragt werden. Aber nicht immer läuft bei der körperlichen Entwicklung im Mutterleib alles glatt. Gar nicht so selten – etwa bei zwei bis vier Prozent der Neugeborenen – entwickelt sich eine angeborene oder erworbene Hüftdysplasie. Das Baby leidet dann unter einer Fehlbildung/Reifungsstörung der Hüftgelenkspfanne. Wie frühzeitiges Screening und moderne Therapien bei dieser Diagnose helfen und Spätfolgen vermieden werden können, erklärt euch unsere Expertin Stephanie Schmitz, Funktionsoberärztin für Kinderorthopädie in der Asklepios Klinik Bad Abbach, dem Lehrkrankenhaus der Universität Regensburg.

Wie entsteht eine Hüftdysplasie?

In Mitteleuropa tritt eine erworbene Hüftdysplasie mit einer Rate von 2 bis 4 Prozent auf, wobei Mädchen bis zu fünfmal häufiger betroffen sind. Das Risiko für das Auftreten einer Hüftdysplasie erhöht sich bei einer familiären Vorbelastung oder Enge im Mutterleib durch geringe Fruchtwassermengen, Beckenendlage oder Mehrlingsschwangerschaften. Die Hüftluxation, die besonders schwere Form der Hüftdysplasie, tritt mit 0,5 bis 1 Prozent deutlich seltener auf.

Wie erkennt man Hüftdysplasie beim Baby?

In Deutschland erfolgt in der Kinderarztpraxis oder einer Fachpraxis für Kinderorthopädie seit über 20 Jahre im Rahmen der U3, das heißt zwischen der 4. und 6. Lebenswoche, ein Hüftscreening mittels Ultraschalls. Durch Einführung des Hüftultraschalls konnte die Anzahl der operativen Behandlungen einer Hüftdysplasie deutlich gesenkt werden. Je früher eine Hüftdysplasie bei einem Neugeborenen oder Säugling erkannt wird, desto besser und kürzer lässt sich diese behandeln – meist auch ganz ohne eine Operation.

Kann ich auch selbst eine Hüftdysplasie bei meinem Kind erkennen?

Das ist durchaus möglich. Meist zeigt sich auf der Seite der Dysplasie ein etwas verkürztes Bein. Die Hüfte lässt sich im Vergleich zur Gegenseite nicht ausreichend abspreizen. Wer asymmetrische Gesäßfalten bei seinem Baby entdeckt, sollte dies einmal in einer Kinderarztpraxis abklären.

Was tun bei Hüftdysplasie?

Bei einer leichteren Form der Hüftdysplasie muss aus medizinischer Sicht die ersten sechs Wochen nichts unternommen werden. Um jedoch den Reifungsprozess zu beeinflussen, ist eine Lagerung der Hüfte in abgespreizter und gebeugter Stellung förderlich. Dafür empfiehlt sich das Tragen des Säuglings in einem Tragetuch oder einer ergonomischen Babytrage, da hierbei die Stellung der Hüften optimal ist. Die Hüftköpfe werden beim ergonomischen Tragen zentriert in die Hüftpfanne gedrückt und erhalten so einen Reiz zur Nachreifung. Ein Pucken der Hüften (enges Einwickeln der Hüftgelenke und Beine) sollte auf keinen Fall durchgeführt werden, da hier genau eine entgegengesetzte Bewegung der Hüften entsteht und es zu einer Verschlechterung der Hüftsituation kommen kann. Allerdings kann ein ergonomisches Pucken des Kindes, welches die Hüften frei beweglich beziehungsweise in einer Anhock-Spreiz-Haltung lagert, durchgeführt werden (z.B. mit dem Ergobaby Puck-Mich-Sack). Dies sollte jedoch mit der behandelnden Kinderarztpraxis zuvor abgesprochen werden.

Sollte beim Hüftscreening eine schwerere Form der Hüftdysplasie festgestellt werden, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Befindet sich der Hüftkopf noch in der Hüftpfanne und das Pfannendach ist noch zu steil, also noch zu wenig ausgreift, würde man zum Beispiel eine Behandlung mit einer sogenannten Tübinger Schiene beginnen. Dies ist eine Schiene, die mindestens 23 Stunden am Tag über der Kleidung getragen und nur fürs Wickeln oder Baden abgenommen wird. Mit Hilfe der Schiene werden die Hüftköpfe durch das Abspreizen und die gebeugte Stellung in der Hüftpfanne zentriert und somit der Reiz zur Nachreifung der Hüftpfanne gegeben. Durch regelmäßige Kontrollen per Ultraschall kann die Entwicklung kontrolliert werden. Die Schiene wird bis zum Erreichen der Nachreifung getragen. Im Durchschnitt dauert dies etwa 6 bis 8 Wochen. Weitere Kontrollen finden dann erst wieder statt, wenn das Kind selbstständig laufen kann.

Hüftdysplasie Baby, Tübinger Schiene
Tübinger Schiene 
Quelle:  ottobock.us

Hüftdysplasie Baby, Pavlik Bandage
   Pavlik Bandage
Quelle: NHS

Sollte der Hüftkopf bereits eine Tendenz haben sich aus der Hüftpfanne zu bewegen, so würde man eine sogenannte Pavlik-Bandage verordnen, die rund um die Uhr auf der Haut getragen wird und von den Eltern nicht abgenommen werden darf. Diese Therapie wird auch durch regelmäßige Ultraschallkontrollen überprüft. Allerdings ist hier die Behandlungsdauer meist deutlich länger. Sollte der Hüftkopf bereits vollständig aus der Hüftpfanne luxiert sein, ist immer die Anlage eines Beckenbeingips notwendig, im schlimmsten Fall kann sogar eine operative Intervention notwendig sein.

Kann ich mein Baby trotz Orthese in der Babytrage tragen?

Ja, absolut. Da die Schiene/Bandage genau die Nachreifungsstellung der Hüften simuliert, behindert sie nicht das Tragen in einer ergonomischen Babytrage. Sinnvoll ist allerdings zunächst eine Trageberatung in Anspruch zu nehmen, um zu schauen, welche Tragehilfe für alle die komfortabelste Lösung ist. Diese sollte vor dem Tragen dann auch immer mit dem behandelnden Therapeuten oder der Ärztin abgesprochen werden.

Wer behandelt eine Hüftdysplasie?

Bei Risikopatienten, also Kindern mit familiärer Vorgeschichte einer Hüftdysplasie oder Entbindung aus Beckenendlage, sollte der erste Ultraschall zur U2 noch in der Klinik durch die Pädiatrie erfolgen. Zeigt sich hier bereits eine höhergradige Dysplasie, ist eine Weiterbehandlung durch eine Fachpraxis für Kinderorthopädie erforderlich. Den regelhaften U3-Hüftultraschall führt in der Regel die Kinderarztpraxis durch. Bei Auffälligkeiten würde entsprechend an die Kinderorthopädie weiterüberwiesen werden, um weitere Behandlungsschritte einzuleiten.

Ist eine Hüftdysplasie heilbar?

Wird eine Hüftdysplasie rechtzeitig erkannt und entsprechend behandelt, ist mit Folgeschäden kaum zu rechnen.

Hüftdysplasie Baby

Wir hoffen jetzt natürlich, dass ihr etwas beruhigt seid und wisst: bei einer Hüftdysplasie lässt sich eine Menge tun. Wie ihr seht, ist das Tragen eures Kindes auch hier ein wichtiger Helfer, der die Reifung und gesunde Entwicklung auf optimale Weise unterstützt.