Mehr Milch fürs Baby: Wann macht es Sinn zuzufüttern?

Foto: Fanny Renaud

Natürlich geht nichts über Muttermilch. Sie ist die gesündeste Nahrung, die ihr eurem Baby geben könnt. Aber was, wenn eure Milch nicht ausreicht, um euer Baby zu sättigen? Oder es nach der Geburt nicht schnell genug zunimmt? Dann wird meist zum Zufüttern geraten. Für viele Mamas, die gern stillen möchten, fühlt sich das an wie eine Niederlage. Die Angst, nie oder nicht wieder voll stillen zu können, ist groß. Warum das nicht sein muss und wie ihr die Ersatzmilch stillfreundlich zufüttert, wollen wir uns im Folgenden einmal genauer anschauen. 

Die 4 häufigsten Gründe fürs Zufüttern

Oft wird das Fläschchen als schnelle Lösung bei Stillproblemen angeboten. Doch ist das wirklich immer nötig?

1. Das Baby hat 10 % des Geburtsgewichts oder mehr abgenommen

Dass Babys in den ersten Tagen nach der Geburt an Gewicht verlieren, ist normal. Es kommt erstmals zu Verdauung und Ausscheidung – darum verliert der Körper an Gewicht. Als „normal“ gilt eine Abnahme von bis zu sieben Prozent des Geburtsgewichts. Nach einem Kaiserschnitt ist die Gewichtsabnahme in den ersten 12 Stunden oft größer, da euer Baby vermehrt Wasser ausscheidet. Es hat dieses durch die Infusionen über das Blut mit aufgenommen und sein Geburtsgewicht wurde verfälscht. Das muss miteinkalkuliert werden. Von einigen Autoren wurde vorgeschlagen, anstelle des Geburtsgewichts künftig das Gewicht des Säuglings 24 Stunden nach der Geburt als Grundlage der Berechnung zu nehmen.

Ist der Zeitpunkt von sieben Prozent erreicht, ist eine Stillberatung sinnvoll, um zu prüfen, ob euer Baby genug Milch erhält. Ist dies der Fall, wird es zu einer Zunahme kommen. Hat euer Baby jedoch über 10 Prozent an Gewicht verloren, ist dies ein Grund mit dem Zufüttern zu beginnen und der Ursache auf den Grund zu gehen. In Frage kommen gespendete Muttermilch (bitte nur von offiziellen Stellen und auf Krankheiten getestet) oder künstliche Pre-Nahrung.

2. Das Baby hat sein Geburtsgewicht nach 10-14 Tagen nicht wieder erreicht

Durch das häufige und ausdauernde Stillen in den ersten Tagen wird die Milchproduktion angekurbelt. So ist der anfängliche Gewichtsverlust meist nach 10 Tagen wieder ausgeglichen. Nach spätestens 14 Tagen sollte das Geburtsgewicht erreicht sein. Hier ist es sinnvoll, nicht so lange abzuwarten, sondern bereits nach sieben bis 10 Tagen genauer hinzuschauen, woran es hakt. Am besten fragt ihr eure Hebamme oder nehmt Kontakt zu einer IBCLC-Stillberaterin auf. Sie kann euch dabei helfen, die Ursache zu suchen und die Milchproduktion in Schwung zu bekommen. Auf diese Weise kann das Zufüttern nach 14 Tagen oft vermieden werden. Falls nicht, habt ihr eine Expertin an der Hand, die weiß, wie ihr das Stillen trotz Zufüttern erhaltet.

3. Die Gewichtszunahme verläuft unter der altersentsprechenden Grenze

Die Gewichtszunahme verläuft nicht geradlinig – auch das ist normal. Bleibt euer Baby dem Alter entsprechend allerdings deutlich unter der zu erwartenden Mindestzunahme, sollte die Ursache herausgefunden werden. Denn erhält euer Baby nicht genug Energie, kann sich das auf seine körperliche Entwicklung auswirken. Einige Säuglinge weinen dann vermehrt, andere werden extrem ruhig, da sie versuchen Energie zu sparen. Hier kann ein Zufüttern notwendig werden. Sinnvoll ist es, den Gewichtsverlauf anhand von Perzentilen (auch als App verfügbar) zu kontrollieren.

4. Das Stillen bereitet zu große Schmerzen

Ist das Anlegen so schmerzhaft, dass jedes Stillen kaum zu ertragen ist, läuft etwas falsch. Denn Stillen soll nicht weh tun. Wer jetzt aus eigenem Wunsch zufüttern möchte, muss sich nicht schlecht fühlen. Das ist verständlich. Allerdings ist es sinnvoll, bei Schmerzen frühzeitig Unterstützung zu suchen, um derartige Fälle zu vermeiden und die Ursache zu finden.

Stillen
Foto: Luiza Braun

Stillfreundlich zufüttern – so geht’s

Grundsätzlich gilt: Jeder Tropfen Muttermilch zählt, da sie körpereigene Abwehrstoffe enthält. Wenn eure Milch aber nicht zum Vollstillen reicht, ist es keine Schande, sie mit Pre-Nahrung zu ergänzen. Sucht ihr frühzeitig eine Hebamme oder Stillberaterin auf, stehen die Chancen gut, dass ihr es schafft, die Milchproduktion so zu steigern, dass ihr bald (wieder) voll stillen werdet. Ist die Entscheidung für das Zufüttern gefallen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Je nachdem, wie viel Milliliter Milch benötigt werden, könnt ihr anfangs statt dem Fläschchen auch mit einem Fingerfeeder, per Becherfütterung (z.B. Softcup), Spritze, Pipette, Teelöffel oder einem Brusternährungsset zufüttern. Die folgenden Tipps können dabei helfen, das Zufüttern so kurz wie möglich zu halten:

  • Nur geringe Mengen zufüttern

Sind die zugefütterten Milchmengen zu groß, verlängern sich manchmal (kurzzeitig) die Schlafintervalle eures Babys und eure Milchproduktion wird zu selten stimuliert. Darum lieber viele kleine Mahlzeiten geben und immer zuerst an der Brust trinken lassen – am besten an beiden. So stimuliert euer Kind auch weiterhin mindestens 10-12 Mal in 24 Stunden eure Milchbildung.

  • Cluster-Stillen trotz Zufüttern

Gerade in den ersten Wochen führt euer Baby das sogenannte Cluster-Stillen (Baby stillt sehr häufig über mehrere Stunden hinweg) durch, um eure Milchbildung anzuregen. Das ist zwar nervenaufreibend, da es stundenlang dauern kann, aber ein wichtiger Prozess. Diesen solltet ihr bei einer niedrigen Gewichtszunahme trotz des Zufütterns nicht verhindern. Nur so kann die Milchproduktion optimal angekurbelt werden.

  • Schnuller und Flasche anfangs möglichst meiden

Gerade am Anfang, so lange bis das Stillen reibungslos klappt, solltet ihr auf Schnuller und Fläschchen möglichst verzichten. Nutzt lieber eine der oben genannten Methoden wie kleine Becher oder Teelöffel.

Im nächsten Expertenartikel zum Stillen geben wir euch dann noch Tipps und Tricks an die Hand, wie ihr die Milchmenge zusätzlich anregen könnt. Also glaubt an euch, denn fast jede Frau kann stillen.

Stillen
Foto: Janko Ferlič