Immer wieder betonen wir, wie gut das Tragen in einer ergonomischen Babytrage für ein Neugeborenes ist. Dass es die physische und psychische Gesundheit des Babys fördert. Aber wieso ist das eigentlich so? Warum ist ein Säugling anatomisch fürs Tragen „gemacht“? Unsere Trageexpertin Katrin Ritter kennt die Antwort auf diese Fragen. Obwohl der gesamte Körperbau des Nachwuchses dabei eine Rolle spielt, setzt sie im heutigen Expertentipp ihren Fokus auf das kindliche Becken bzw. seine Hüfte.
Der Mensch ist ein Tragling. Das ist ein Fakt, der vor allem dann deutlich wird, wenn man einen Blick auf die körperlichen Gegebenheiten eines Neugeborenen wirft. Denn so ein Baby kommt ja nicht kerzengerade auf die Welt, sondern nimmt anfangs automatisch immer eine eher leicht gerundete Haltung ein. Häufig spricht man dabei auch von einem Rundrücken oder einem C-Rücken. Eine Bezeichnung, die nicht ganz korrekt ist, aber dazu mehr demnächst im zweiten Teil zu diesem Blogthema. Optisch haben wir also den Eindruck, der Rücken eines Säuglings sei eher leicht rund statt gerade oder s-förmig (wie bei einem Erwachsenen). Das liegt zum Teil auch daran, dass die Beckenneigung äußerst gering und die Gesäßmuskulatur kaum ausgeprägt ist. Dies wiederum führt auch dazu, dass die Hüftgelenke eher nach vorn orientiert sind, was zur typischen Beugestellung in den Hüftgelenken führt. Das heißt, der Bewegungsspielraum der Oberschenkel eines Babys liegt VOR dem Rumpf und ist somit der Lebenssituation eines Traglings angepasst. (1)
Die natürliche Anhock-Spreiz-Haltung
Schauen wir uns in diesem Zusammenhang mal die Haltung der Oberschenkel und das kindliche Becken etwas genauer an. Letzteres ist direkt durch das Kreuzbein und den Steiß mit der Wirbelsäule verbunden ist. Durch die anatomischen Gegebenheiten, wie die nach vorn orientierten Hüftgelenke und die Form der Wirbelsäule, kann das Baby also ohne Mühe über einen längeren Zeitraum mit seinen Beinen in der sogenannten Anhock-Spreiz-Haltung verweilen. Die Abspreizwinkel der kindlichen Oberschenkel, gemessen im Laufe des ersten Lebensjahres, lagen in einer Untersuchung von Kirkilionis und Büschelberger (1961) bei 40-45 Grad. Bei der Anhockung haben wir eine Beugung im Hüftgelenk mit einem Winkel von 90-110 Grad. Dabei sei allerdings noch gesagt, dass das Baby im ersten Jahr mit zunehmendem Alter seine Oberschenkel immer weniger stark anhockt. Bei Babys über 6 Monate sind es zum Teil sogar weniger als 90 Grad. Durch diese natürliche Haltung der Beine wird der Hüftkopf ideal mittig zur Hüftpfanne platziert, erhält Bewegungsreize, wird vor Hüftdysplasie (Hüftgelenksverrenkung) geschützt und die Durchblutung der knorpeligen Strukturen wird angeregt und reift nach. (1+2)
Insgesamt führen diese Umstände auch dazu, dass ein Säugling seine Beine auf einer ebenen Fläche nicht gerade ablegen kann. Erzwingt man diese Haltung, kommt es zu einer Ausweichhaltung des Beckens nach vorne/unten, was zu einem unnatürlichen Hohlkreuz führt (2). Diese Haltung ähnelt der in einer Tragehilfe, die KEINE M-Position der Beine ermöglicht.
Quellen:
- (1) Dr. E. Kirkilionis, Haltung bewahren, Hebammenforum 5/2014
- (2) Dr. E. Kirkilionis, Die Grundbedürfnisse des Säuglings und deren medizinische Aspekte- dargestellt und charakterisiert am Jungentypus Tragling Teil 1 und 2
- (3) Birgit Kienzle-Müller, Entwicklung und Entfaltung des kindlichen Rückens – Bedeutung für das Kind in der Trageberatung, Tagungsband Dresdner TrageTage 26.-28.05.2016
Birgit Kienzle-Müller, Meilensteine der Entwicklung