Tragetipp: Geschwisterkinder richtig integrieren

Eifersucht ist etwas, das nicht nur zwischen Erwachsenen auftritt. Nein, auch kleinste Kinder sind bereits davon betroffen und zwar häufig dann, wenn Nachwuchs ansteht. Unsere liebe Trageexpertin Mieke kennt das aus eigener Erfahrung und widmet sich genau diesem Thema in unserem heutigen Expertentipp des Monats:

Wird das erste Kind geboren, ist das mit der Aufmerksamkeit und Zuwendung ganz einfach: Alles dreht sich von nun an um das Baby. Für Mama und Papa, vielleicht sogar für Oma und Opa, ist dieses kleine Wesen auf einmal der wichtigste Mensch der Welt und alle kümmern sich nur um dieses süße Baby.

Wenn dann aber Kind Nummer zwei unterwegs ist, machen sich die Eltern oft Gedanken, ob sie dieses Kind genauso lieben können wie das erste und wie das wohl wird, so mit mehreren Kindern. Sie malen sich aus, wie das große Kind wohl reagieren wird, wenn das Baby auf der Welt ist. Sie sehen in ihrer Vorstellung wahrscheinlich harmonische Szenen von stolzen Kinderwagen schiebenden großen Geschwisterchen und zufrieden schlummernden Babys. Oder fröhlich auf der Krabbeldecke glucksende Babys und daneben, liebevoll bespaßend, das lachende und Baby anhimmelnde große Kind. Denn mal ehrlich, wer erträumt sich schon Streitereien, Türenknallen, brüllende und eifersüchtige Wutzwerge und Kolikbabys?

Geschwisterverhalten vor und nach der Geburt
Solange das Baby noch im Bauch der Mutter wächst und die Schwangerschaft problemlos verläuft, kann sich ein Kind noch gar nicht vorstellen, was es wirklich bedeutet, ein Geschwisterkind zu bekommen. Vielleicht wird Mama etwas behäbiger und langsamer, aber sonst ist für das Kind ja im Grunde alles wie bisher. Deshalb freut es sich auch gemeinsam mit den Eltern – erst recht, wenn es schon in den Kindergarten geht und andere Kinder dort auch Geschwister haben.

Wenn die Schwangerschaft schwieriger ist und Mama vielleicht sogar mehrere Wochen ins Krankenhaus muss, ist es völlig normal, dass ein Kind es total doof findet, dass das Baby im Bauch ist. Vielleicht sagt es sogar irgendwann einmal, es wolle doch gar kein Baby mehr, das soll weg und Mama dann bitte wieder nach Hause kommen. Manche Kinder wiederum können ihren Unmut noch nicht äußern und zeigen ihr Aufgewühltsein durch andere Reaktionen, zum Beispiel indem sie nur noch bestimmte Dinge essen, besonderen Wert auf bestimmte (teilweise absurd erscheinende) Rituale legen oder plötzlich wieder einnässen. In diesem Fall ist es bereits während der Schwangerschaft wichtig, die negativen Gefühle des Kindes aufzufangen.

Ist das neue Baby dann aber endlich da, erleben Eltern plötzlich – neben dem Glücksrausch endlich ihr neugeborenes Baby kennenzulernen – oft auch eine ganz neue Seite an ihrem großen Kind.

Für das Kind, das nun auf einmal ganz plötzlich „groß“ ist, ist von jetzt auf gleich alles anders. Es hat sich wahrscheinlich auf das Baby gefreut - weil sich ja Mama und Papa und alle andern auch gefreut haben. Dass ein Baby aber anfangs ganz klein und hilflos ist und noch nicht sprechen, laufen und spielen kann, ist gerade für kleine Kinder nicht zu verstehen. In ihrer Vorstellung hat es sich womöglich jemanden vorgestellt, der ihm gleicht wie ein bester Freund. Vielleicht wurde dem Kind sogar versprochen, dass es bald ein Geschwisterchen zum Spielen bekommt. Und nun ist da stattdessen dieses schreiende Baby, das ihm die Aufmerksamkeit aller raubt, die sonst nur für ihn da waren.

Und auch, wenn die Eltern dem Kind die ganze Zeit über verdeutlichen, dass das Geschwisterchen erst ein Baby ist, mit dem man nicht spielen kann, wird die Enttäuschung zwar kleiner, aber es ändert nichts daran, dass Aufmerksamkeit, Zeit und Zuwendung nun schlagartig geteilt werden müssen. Und wir Eltern wissen ja alle, wie blöd Kinder es schon finden, nur ihre Sachen teilen zu müssen. Aber Mama und Papa teilen?! Und das auch noch freiwillig und darüber glücklich sein....puh. Kein Wunder, dass das nicht klappt.

Große Geschwister müssen ihre neue Rolle erst finden
Nicht nur Eltern müssen sich in ihre neue Rolle als Mehrfach-Eltern einfinden, auch die Kinder müssen sich und ihr Selbstbild innerhalb der Familie neu finden. Da ist es auch egal, ob es das zweite, dritte oder siebte Kind ist – jedes Baby wirft die Familie neu durcheinander. Hebammen erleben es häufiger, dass ein großes Geschwisterkind in den ersten Wochen nach der Geburt krank wird, also auch körperlich zu sehen ist, dass da etwas passiert.

Meist sind die Kinder nach wenigen Tagen wieder gesund, haben zeitgleich ihren neuen Platz in der Familie gefunden und gehen emotional gestärkt aus der Krankheit hervor. Je jünger das große Kind jedoch zum Zeitpunkt der Geburt ist, desto weniger können die großen Kinder verstehen, was da passiert, es logisch einordnen und verarbeiten. Besonders 1- bis 3-Jährige sind noch sehr stark von der Zuwendung der Hauptbezugspersonen abhängig, fühlen sich von dem Baby bedroht und reagieren daher besonders stark. Bei einigen äußert sich diese Verlustangst auch als Aggression, bei manchen kommt es zu psychosomatischen Symptomen, andere fallen zurück in ein Babyverhalten... Alle haben letztendlich aber nur das eine Ziel: die Aufmerksamkeit der Eltern wiederzuerlangen.

Aufklärung und Aufmerksamkeit helfen gegen Eifersucht
Eltern sollten sich diesen Tumult in ihrem Kind immer wieder vor Augen führen, wenn die Geschwisterliebe in der ersten Zeit eher nicht erkennbar ist. Es gibt aber ein paar kleine Tricks und Kniffe, wie sich die Eifersucht verringern lässt.

Wenn das große Kind bereits während der Schwangerschaft etwas über die Bedürfnisse des Babys lernt – also wie oft ein Baby Hunger hat, wie oft es eine neue Windel braucht etc. – hat es eher Verständnis für das weinende Bündel. Es kann die Situation besser einschätzen und glaubt nicht gleich, Mama gehe zum Baby, weil sie nun das große Kind selber nicht mehr liebt. Schließlich macht Mama dem großen Kind auch etwas zu essen, wenn es Hunger hat und hilft, wenn es auf die Toilette muss...

Das Kind den Bauch streicheln lassen, ihm Fotos von der Schwangerschaft mit dem großen Kind zeigen und das große Kind immer wieder mit dem Baby im Bauch sprechen zu lassen, hilft ebenfalls eine Bindung aufzubauen. Auch recht junge Kinder können nach der Geburt bereits in die Babypflege mit eingebunden werden, indem sie die Windel bringen, Socken raussuchen, Tücher nass machen dürfen etc. Oft sind sie dann verständiger und haben Spaß daran, den Eltern zu helfen das Baby zu versorgen.

Wichtig ist, dass das große Kind das folgende Gefühl vermittelt bekommt: „Du bist genau so wertvoll für mich wie das neue Baby – auch wenn ich anders mit dir umgehe.“

Jeder Besuch sollte gebeten werden, sich ebenfalls eine Zeit lang nur mit dem großen Kind zu beschäftigen, es vielleicht sogar als allererstes zu begrüßen. Es darf auch gerne eine Kleinigkeit für das große Kind mitgebracht werden, anstatt nur Geschenke für das Baby. Besonders die engsten Bezugspersonen wie Oma, Opa, Papa sollten darauf achten, besonders viel Zeit mit dem großen Kind zu verbringen, während Mama sich um das Baby kümmert. Es braucht in dieser Phase einfach die Gewissheit, dass es noch genau so geliebt und nicht durch das neue Baby ersetzt wird. Aus diesem Grund ist es ganz besonders wichtig, dass auch Mama Zeit nur für das große Kind hat, ohne dass das Baby dabei ist.

Eine Babytrage hilft bei der Doppelbelastung
Wenn Mama ganz alleine mit den Kindern ist, schafft eine Babytrage Erleichterung im Alltag und hilft dabei, die Bedürfnisse beider Kinder gleichzeitig zu erfüllen. Wird das Baby in der Tragehilfe „versteckt“, statt auf Mamas Arm präsentiert zu werden, ist es für das große Kind leichter zu tolerieren, dass das Baby bei Mama ist. Sozusagen „aus den Augen, aus dem Sinn“. Dadurch kann die Spirale aus Eifersucht, negativen und hilflosen Gefühlen der Mutter und dem weiteren Gefühl von Ablehnung seitens des Kindes einfach durchbrochen werden. Es wird ganz einfach durch schöne und stärkende, gemeinsame Momente ersetzt.

Das Baby erhält zeitgleich Nähe und Geborgenheit und weint dadurch weniger, während Mama die Hände frei hat, etwas mit dem großen Kind zu machen. Auch auf dem Spielplatz hilft eine Tragehilfe, mit dem großen Kind den bekannten Alltag weiterzuleben. Mama kann auf der Schaukel Anschwung geben, auf dem Klettergerüst oder der Schaukel Hilfestellung bieten – und zwar ohne dass ein Kinderwagen am Rand des Sandkastens steht, das Baby vielleicht sogar darin weint oder es auf den Arm genommen werden muss. In diesem Fall wäre dann plötzlich doch nur noch ein Arm für das große Kind übrig.

Und auch Stillen ist in der Tragehilfe möglich, wenn es die Situation erfordert. Um auch beim zweiten Kind erfolgreich stillen zu können, gibt es ebenfalls einige hilfreiche Tipps, die euch unsere Still-Expertin Sandra im nächsten Expertentipp verrät.

Geschwister sind eine echte Bereicherung
Bei all dem anfänglichen Stress und dem dann später folgenden, oft permanenten Gezanke zwischen den Kindern, ist es für die Kinder eine unglaubliche Bereicherung, mit Geschwistern aufwachsen zu können. Brüder und Schwestern prägen uns nämlich mindestens so stark wie unsere Eltern. Das ist kein Wunder, wenn man sich vor Augen hält, dass Kinder durch gemeinsames Spielen im Alter von drei bis fünf Jahren ungefähr doppelt so viel Zeit mit ihren Geschwistern verbringen als mit der Mutter.

Laut einer Studie der University of Illinois geraten Geschwister im Alter von drei bis sieben Jahren dreieinhalb Mal pro Stunde aneinander. Um miteinander zurecht zu kommen, müssen Geschwisterkinder also zwangsläufig schon früh lernen klar zu kommunizieren, zu verhandeln und Konflikte zu beenden. Geschwister kann man sich nicht aussuchen und oft hätte man ohne die familiäre Beziehung nicht freiwillig etwas miteinander zu tun. Hier trotzdem einen Weg zu finden, gut miteinander auszukommen, schult die soziale Kompetenz beispielsweise für den späteren Umgang mit Arbeitskollegen, mit denen einen außer dem Job meist ebenfalls nicht viel verbindet. Jugendliche, die gute Beziehungen zu ihren Geschwistern pflegen, können sich in der Regel besser in Gruppen integrieren, wodurch sie dann an Selbstsicherheit gewinnen.