Uff, ihr kennt das vielleicht auch, wenn euer Baby euch mit seinen nächtlichen Aufwachphasen den bitter nötigen Schlaf raubt. Wie soll man da morgens funktionieren? Erst recht, wenn man schon wieder arbeitet oder noch weitere Kinder hat, kann häufiges Aufwachen in der Nacht wirklich die Nerven strapazieren. Da sitzen fast alle Eltern im gleichen Boot. Was es mit dem nächtlichen Aufwachen auf sich hat und was ihr tun könnt, erklärt euch unsere Gast-Autorin Gemma Coe. Sie arbeitet als zertifizierte Baby- und Kinderschlaf-Beraterin und unterstützt Familien in aller Welt dabei, gesunde Schlafgewohnheiten zu entwickeln.
Häufiges Aufwachen in der Nacht
Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum euer Baby nachts wach wird – einige sind entwicklungsbedingt, andere gewohnheitsmäßig und wieder andere völlig normal. Werfen wir einen Blick auf die 10 wichtigsten.
#1 Schlafumgebung
Sie ist wie ein Eckteil in einem Puzzle. Es mag winzig erscheinen, aber es ist wichtig. Leichtschläfer können leicht durch eine Veränderung ihrer Umgebung geweckt werden. Sei es, dass in den frühen Morgenstunden Licht in den Raum fällt oder die Heizungsrohre am Morgen klirren.
Es ist wichtig, dass die Schlafumgebung immer gleichbleibt. Geräte mit weißem Rauschen lieber nicht verwenden. Kuscheltiere, die leuchten oder atmen sind okay – allerdings achtet immer darauf, dass man diese Hilfsmittel schnell wieder anschalten kann. Sonst kann es dazu führen, dass euer Baby nachts aufwacht, weil es merkt, dass sich seine Umgebung seit dem Einschlafen verändert hat.
Denkt immer an die Regel: leise, langsam, langweilig. Versucht, euer Kind unter den gleichen Bedingungen einschlafen zu lassen, die es die ganze Nacht über haben wird. Verzichtet daher auf ausgefallene Schlafhilfen und strebt eine Temperatur von etwa 16-18 Grad an. Dunkelheit hilft dabei, wichtige Schlafhormone zu produzieren.
#2 Hunger
Der häufigste Grund, warum kleine Babys nachts aufwachen, ist der Hunger! Ihre winzigen Bäuchlein können nur eine bestimmte Menge aufnehmen und müssen häufig aufgefüllt werden. Je größer sie werden, desto mehr Fassungsvermögen hat ihr Bäuchlein, und der Bedarf an nächtlichen Mahlzeiten nimmt ab.
Die meisten Babys fangen etwa im Alter von 6 bis 9 Monaten an, nachts keine Mahlzeiten mehr zu brauchen, während andere noch etwas länger, möglicherweise über ihren ersten Geburtstag hinaus, gefüttert werden müssen.
Wenn ihr unsicher seid, was euer Baby braucht, sprecht mit eurer Hebamme, Kinderärztin bzw. Kinderarzt oder einer Stillberaterin.
#3 Über- oder Untermüdung
Nickerchen? Heute nicht. Euer kleiner Schatz hat nur ein statt zwei Schläfchen gemacht? Oder es hat den ganzen Tag geschlafen und ist abends putzmunter? Oder, wer kennt es nicht, ein „gefährliches“ Nickerchen im Auto auf dem Heimweg wurde eingeschoben und ihr konntet das nicht verhindern? Eine ganze Reihe von Schlafproblemen kann durch Übermüdung verursacht werden. Aber auch Untermüdung, z. B. durch ein zu langes Nickerchen am Tag oder kurz vor dem Schlafengehen, kann zu Verzögerungen beim Zubettgehen und nächtlichem Aufwachen führen. Der Babyschlaf und das Schlafbedürfnis verändern sich aber auch im Laufe der Zeit. Welchen Gesamtschlafbedarf euer Kind in welchem Alter hat, erfahrt ihr hier.
Wenn eure Nächte sehr unruhig sind, kann es sich lohnen, ein paar Wochen lang auf einen bestimmten Zeitplan hinzuarbeiten, um zu sehen, ob das nächtliche Aufwachen dadurch verringert wird.
#4 Elterliche Beteiligung
Wir kennen es alle: Das Baby rührt sich, und ihr denkt, wenn ihr es nur schnell beruhigt, könnt ihr es vielleicht dazu bewegen, weiterzuschlafen und ein richtiges Aufwachen zu vermeiden.
Im Zuge des Schlafzyklus durchlaufen wir nachts verschiedene Schlafphasen. Babys wachen im ersten Lebensjahr nach 30 bis 60 Minuten auf und benötigen oft die Eltern, um weiterzuschlafen.
Wenn euer Baby nachts aufwacht, gebt ihm ein paar Augenblicke Zeit, um sich zu beruhigen und zu sehen, ob es wirklich eure Hilfe braucht. Es kann sein, dass es nur ein bisschen herumzappelt, mit den Händen spielt, vielleicht sogar eine Weile wach ist und dann wieder einschläft. Meist reichen das Auflegen der Hand und ein paar leise Worte. Falls nicht nötig, auf Licht und Wickeln nachts verzichten.
#5 Ein Meilenstein in der Entwicklung
Kinder lernen in den ersten Lebensjahren unheimlich viel. Der Schlaf ist die beste Zeit, um neue neuronale Verbindungen im Gehirn herzustellen. Das Erreichen neuer Meilensteine in der Entwicklung (oder das Hinarbeiten auf diese) kann den Schlaf durchaus beeinflussen und durch die ganze Aufregung unruhiger machen. Die Rückschritte nach der vier-monatigen Schlafregression (der Schlaf wird schlechter) fallen in der Regel auch mit großen Entwicklungsschritten zusammen. Neben körperlichen Entwicklungen wie dem Krabbeln und Laufen erweitern sie manchmal auch ihre emotionalen und sozialen Fähigkeiten.
Einige der späteren Anflüge von Trennungsangst können darauf zurückzuführen sein, dass euer Kind die Welt um sich herum bewusster wahrnimmt. Im Alter von etwa zwei Jahren kann die Welt ein wenig beängstigender erscheinen, was sich auf Schlafenszeiten und -qualität auswirken und zu mehr nächtlichem Aufwachen führen kann.
Vielleicht bemerkt ihr auch, dass euer Kind im Schlaf spricht, krabbelt, sich aufrichtet oder Schritte macht! Das alles ist völlig normal, und ihr solltet nicht das Gefühl haben, eingreifen zu müssen. Euer Kind tut nur das, was Babys am besten können – es lernt!
#6 Der Schnuller
Ein Schnuller ist nicht besonders gut, wenn er ersetzt werden muss, oder? Ich bin ein großer Fan von Schnullern für den Mittagsschlaf und das Bett, aber nur, wenn sie Trost spenden.
Wenn ein Kind aufwacht und seinen Schnuller alle 45 Minuten austauschen muss, habt ihr zwei Möglichkeiten.
1) Weg mit dem Schnuller - das ist oft einfacher, bevor das Kind wirklich eine emotionale Bindung entwickelt (vor dem 6. Lebensmonat).
2) Bringt ihm bei, den Schnuller nachts zu suchen und zu ersetzen. Diese Fähigkeit kann ab einem Alter von etwa 8 Monaten erlernt werden. Legt dafür am besten mehrere Schnuller ins Bett. Einer wird immer gefunden.
#7 Unterbrochene Nächte
Dabei handelt es sich um lange Wachphasen mitten in der Nacht, in denen ein Baby völlig wach erscheinen und einfach wach bleiben kann. Es wird wahrscheinlich Schwierigkeiten haben, wieder einzuschlafen. In der Regel werden solche Nächte dadurch verursacht, dass der Tagesablauf nicht richtig funktioniert, so dass das Kind vor dem Schlafengehen entweder über- oder untermüdet ist.
Gelegentlich können auch Krankheiten wie Schlafapnoe die Ursache für durchwachsene Nächte sein. Wenn ihr euch also Sorgen machen, solltet ihr mit eurem Kinderarzt sprechen.
#8 Zahnen oder gesundheitliche Probleme
Wie viele der Schlafstörungen eures Babys habt ihr auf das Zahnen zurückgeführt? Richtig, Zahnen, Erkältungen, Krankheit – all das kann die Schlafqualität beeinträchtigen. Und dann ist da noch die schmutzige Windel…
Ihr wisst sicher selbst, wie schwer es ist, bei einer Erkältung gut zu schlafen. Das Gute ist: Diese Phasen gehen vorbei. Gebt eurem Kind Zeit und Raum für zusätzliche Streicheleinheiten und Trost, aber versucht trotzdem, zur gewohnten Schlafenszeit zurückzukehren, wenn diese Phase vorüber ist und es eurem Kind besser geht.
#9 Natürliche Schlafmuster
Im Allgemeinen haben die meisten Kinder ab einem Alter von etwa vier Monaten einen Schlafzyklus, der dem eines Erwachsenen ähnelt und in dem sie verschiedene Schlafphasen durchlaufen. Allerdings sind die jeweiligen Schlafphasen wesentlich kürzer. Zu Beginn der Nacht befindet sich euer Baby in der Regel in einem sehr tiefen Schlaf, der etwa vier Stunden andauert. Danach wacht es auf und durchläuft häufigere Schlafphasen. Es kann leicht geweckt werden, wenn es diese leichteren Schlafstadien erreicht. In der zweiten Nachthälfte träumt es außerdem mehr.
#10 Schlafunterbrechungen, Schlafstörungen
Der sogenannte Nachtschreck, bei dem Kinder zum Beispiel schreien oder um sich schlagen, tritt in der Regel in der ersten Hälfte der Nacht auf, also in der Tiefschlafphase. Das kann für viele Eltern schwer zu ertragen sein, da das Kind sich meistens nicht trösten lassen will und man sich so hilflos fühlt. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sich euer Kind daran erinnern wird. Irgendwann kehrt es in dieselbe Position im Bett zurück und schläft wieder ein.
Albträume treten in der Regel in der zweiten Hälfte der Nacht auf, wenn wir viele Schlafzyklen durchlaufen. Dies gilt eher für den Schlaf von Kleinkindern als für den Schlaf von Babys. Da es sich um nächtliche Aufwachphasen handelt, an die sich das Kind wahrscheinlich erinnern wird, solltet ihr es auf Veränderungen, Ängste und Befürchtungen ansprechen und ihm viel Sicherheit geben.
Sowohl Albträume als auch Nachtschrecks können sich verschlimmern, wenn der Schlafrhythmus durcheinander gerät und euer Kind übermüdet in den nächtlichen Schlaf fällt. Wenn ihr dies bemerkt, versucht, ein paar Wochen lang wieder mehr Fokus auf den Mittagsschlaf oder ein früheres Zubettgehen zu legen und schaut, ob es hilft.
Die besten Tipps von der Schlafberaterin
- Häufiges nächtliches Aufwachen gehört zum Leben eines Babys einfach dazu. Gute Schlafgewohnheiten sind wie die Teile eines Puzzles. Ohne sie kann man das Bild nicht vervollständigen (damit das Kind selbstständig schlafen kann). Vielleicht müsst ihr noch daran arbeiten, wie euer Baby einschläft, damit es in der Lage ist, sich nach der Einschlafroutine selbst zu beruhigen und dann längere Zeit zu schlafen. Gute Schläfer brauchen in der Regel viel Übung, Geduld und eine gute Co-Regulation durch die Eltern.
- Entspannt bleiben: Das Durchschlafen ist ein Mythos. Teilweises Aufwachen ist normal und kommt die ganze Nacht über vor. Es kann sein, dass ihr euer Baby in der Nacht auf dem Monitor beobachtet, wie es seltsame Dinge tut. Das bedeutet jedoch nicht, dass es vollständig wach ist. Es ist durchaus möglich, dass es sich wieder selbst beruhigen kann. Seht es als eine Gelegenheit zum Üben. Ihr habt es ja so fest im Blick!
- Wenn ihr Schwierigkeiten mit dem nächtlichen Schlaf oder dem Schlafverhalten eures Kindes habt, wendet euch an eure Hebamme oder eine Schlafberatung – bitte keine Schlaftrainings durchführen!
Und mit ein paar richtigen Tricks und Kniffen, schafft auch euer Kind das Kunststück eines entspannten Schlafes, egal wie lange es dauern mag.