Warum Babytragen, Stillen und Co-Sleeping die Bindung zum Kind stärken

Bindung. Ein Begriff, der wohl in den Köpfen vieler werdender Eltern herumschwirrt. Die einen haben sich bereits intensiv damit auseinandergesetzt und wissen ganz genau, wie sie die Bindung zum Baby aufbauen und wie sie die Bindung zum Kind stärken wollen. Andere wiederum sorgen sich vielleicht, dass sie nicht in der Lage sind, eine gute und gesunde emotionale Bindung zu ihrem Baby aufbauen zu können. Und wieder andere haben sich noch gar nicht näher damit befasst. Relevant wird es aber spätestens, wenn der Nachwuchs das Licht der Welt erblickt. Denn dann beginnt der so wichtige Bindungsaufbau zwischen Baby und Bezugsperson.

In unserer Trageumfrage, die wir gemeinsam mit babyforum.at im Sommer 2023 durchgeführt haben, ging es genau um diesen Bindungsaufbau und um die Frage, welche Rolle eine Tragehilfe dabei spielt. Ergebnis der Umfrage: 95,5 Prozent der Befragten, die bereits Kinder haben, gaben an, dass sie das Tragen mit einer Babytrage oder einem Tragetuch genutzt haben, um Bindung und Nähe zu ihrem Baby aufzubauen. Mehr dazu findet ihr auch in unserem Blogartikel Vorteile Baby tragen: Warum Eltern ihre Babys tragen. Mit 91,2 Prozent stand das Stillen als Mittel zum Bindungsaufbau an zweiter Stelle, gefolgt von Co-Sleeping bzw. dem Familienbett (86,1). Bei der Hälfte der befragten Familien wird Babyled Weaning (51%) praktiziert und etwa ein Drittel stillt in der Tragehilfe (36,4%) für einen besseren Bindungsaufbau.

Die Bindung zum Kind stärken: Was ist Bindung?

Warum die Familien aus der Trageumfrage scheinbar intuitiv alles richtig gemacht haben, um die Bindung zum Kind zu stärken, darauf gehen wir später noch näher ein. Zunächst einmal wollen wir wissen: Was ist Bindung überhaupt? Was steckt hinter diesem Begriff, der so eng mit dem Elternsein verbunden ist? Und warum ist es so wichtig, eine gesunde Bindung zum Baby aufzubauen? Um das zu erklären, wollen wir zuerst den Unterschied zwischen Bindung, Bonding, Bindungsverhalten und Attachment herausfinden.

Fangen wir zunächst mal mit ein paar Begriffen an, um etwas Licht ins Dunkle zu bringen. Sicher habt ihr den einen oder anderen schon mal gehört. „Bonding“ (bond = Beziehung) beschreibt den Prozess bzw. die Verhaltensweisen, die dabei helfen, zu einer emotionalen Verbindung (attachment) zu führen. So sichert eine sichere Bindung das Überleben des Kindes und daher sollte die Hauptbindungsperson (oft die Mutter) stets feinfühlig sein, die Signale ihres Kindes wahrnehmen, richtig interpretieren und angemessen und prompt darauf reagieren. Dies umfasst dann eure Bereitschaft, sich emotional auf euren Nachwuchs einzulassen, es entsprechend seinen Bedürfnissen zu pflegen und ihm Schutz und Sicherheit zu geben. Bindung ist also aufseiten der Eltern ein Pflege- und Schutzsystem. „Attachment“ hingegen ist dann die andauernde Beziehung zu einer Bindungsperson, in der Regel die „Bindung“ an die Eltern. Aufseiten des Kindes ist dies dann eher ein Sicherheitssystem. Ihr seht, beide Parteien haben unterschiedliche Bedürfnisse und Motivationen hier in Kontakt zu gehen. Natürlich gibt es nach euch als Eltern, auch noch weitere Bindungspersonen, die entsprechend ihrer Bedeutung in der Bindungspyramide weiter unten stehen, aber natürlich auch von Bedeutung sind, z.B. die Großeltern, Verwandte oder die Erzieherin in der Kita.   

Familie mit einer Ergobaby Babytrage

Wie entsteht Bindung?

Direkt nach der Geburt nimmt ein Neugeborenes die Stimme und den Geruch seiner Mutter sofort wahr und kann bereits selbständig an die Brust krabbeln. Dennoch ist es gut vorhersehbar und hängt nicht vom Zufall ab, welche Person sich das Kind zu seiner Hauptbindungsperson auswählt. Diejenige Person, die ihm gegenüber in den verschiedensten Interaktionen mit der größten Feinfühligkeit reagiert, hat die größte Chance diesen Platz zu ergattern.

Der Bindungsforscher Bowlby (1969) hat die Bindungsentwicklung in vier Phasen eingeteilt:

  1. Vorphase
    Diese Phase umfasst die Zeit von der Geburt bis hin zur sechsten Lebenswoche. In dieser Zeit zeigt das Neugeborene sein Bindungsverhalten gegenüber jeder Person.
  2. Phase der entstehenden Bindung oder auch Personenunterscheidende Phase
    Von der sechsten Lebenswoche bis hin zum sechsten bzw. achten Lebensmonat werden die Reaktionen des Säuglings auf ihm vertraute Personen immer spezifischer. Es zeigt erstes personenbezogenes Lächeln und entwickelt eine immer festere Bindung zu einer oder mehreren Personen (z.B. Mutter, Vater, Geschwister oder Pflegemutter).
  3. Phase der ausgeprägten Bindung oder auch Eigentliche Bindung
    In der Zeit vom sechsten bzw. achten Monat bis hin zu anderthalb bis zwei Jahren entsteht schließlich die spezifische Bindung zur Bezugsperson. Nun kann sich das Baby selbst fortbewegen und sucht entweder die Nähe zu seiner Bezugsperson oder es erkundet die Umgebung selbstständig mit zunehmender Objektpermanenz. Dies ist auch die Phase, in der das Baby oder Kleinkind zu fremdeln beginnt. Es protestiert bei Trennungen und bemüht sich um aktive Kontaktaufnahme zu seiner Bezugsperson.
  4. Phase der reziproken Beziehungen oder auch Zielkorrigierte Partnerschaft
    Ab einem Alter von 1,5 bis zwei Jahren beginnt die letzte Bindungsphase. In dieser versucht das Kind das Verhalten des anderen je nach Situation zu beeinflussen. Außerdem kann es nun auf einen Bindungserfahrungsschatz zurückgreifen und ist in der Lage Trennungen von Bezugspersonen zu akzeptieren. Greift es auf positive Erfahrungen zurück, weiß das Kind, dass die Bezugsperson verfügbar ist, auch wenn sie gerade nicht anwesend ist.

Bindung zum Kind stärken im Verlauf der Jahre

Euer Kind baut also im Verlauf seines ersten Lebensjahres eine emotionale Beziehung zu euch auf, indem es intuitiv immer wieder einfordert, dass seine Bedürfnisse erfüllt werden. Empfindet es negative Gefühle wie Angst, Enttäuschung oder Kummer, weint, klammert oder schreit es, damit eine fürsorgliche Person – also ihr – diese Gefühle vertreibt. Und ihr wiederum reagiert intuitiv richtig auf dieses Verhalten. Ihr nehmt euer Kind in der Regel in dieser Situation wahr, nehmt es auf den Arm und beruhigt es sofort. Das nennt man übrigens intuitives Elternprogramm.

Lernt euer Kind in dieser Phase, dass es von euch Aufmerksamkeit und Zuwendung erfährt, wenn es sein Bindungsverhalten zeigt, spürt es Sicherheit. Es geht mehr und mehr davon aus, dass es auch in anderen Situationen diese positive Bedürfnisbefriedigung erfahren wird. Andersrum verfestigt sich auf eurer Seite unbewusst euer eigenes Pflegeverhalten, weil ihr bemerkt, wie dieses einen positiven Effekt auf das Bindungsverhalten eures Sprösslings hat. Dieses Hin und Her, dieses Geben und Nehmen, trägt also dazu bei, dass sich die Bindung zwischen euch festigt und eine vertrauensvolle und sichere Bindung entsteht.

Welche verschiedenen Bindungstypen gibt es?

Allerdings läuft der Bindungsaufbau nicht immer identisch ab. Im Gegenteil. Das individuelle Bindungsverhalten eines Neugeborenen passt sich immer an das Verhalten der jeweiligen Bezugsperson an und wird in den ersten sechs Monaten am stärksten geprägt. Das heißt, je nachdem wie gut und zeitnah ihr auf die Bedürfnisse eures Nachwuchses reagiert, umso stabiler wird die Bindung.

So ergeben sich schließlich die folgenden vier Bindungstypen nach Ainsworth (1978), die mit Hilfe von Trennungs- und Wiedervereinigungsphasen ermittelt worden sind:

Der sichere Bindungstyp

Ein Kind mit einer sicheren Bindung vermisst seine Bezugsperson während einer Trennungssituation, es fängt womöglich sogar an zu weinen. Eine ihm fremde Person kann das Kind nicht vollständig trösten. Seine Freude ist groß, wenn die Bezugsperson wieder auftaucht. Diese wird als sichere Basis verstanden, von der aus die Umwelt entdeckt werden kann. 

Der unsicher-vermeidende Bindungstyp

Dieser Typ macht kaum einen Unterschied zwischen Bezugsperson und fremder Person. Die Trennung von ersterer beunruhigt das Kind kaum. Betritt diese den Raum dann wieder, vermeidet das Kind den Kontakt oder die Interaktion mit der Bezugsperson.

Der unsicher-ambivalente Bindungstyp

Schon vor einer möglichen Trennung weichen diese Kinder ihrer Bezugsperson kaum von der Seite. Werden sie von der Person getrennt, reagieren sie wütend oder passiv. Kommt die Bezugsperson wieder zurück, lassen sie sich von ihr nur schwer trösten.

Der desorganisierte-desorientierte Bindungstyp

Widersprüchlich und ungewöhnlich sind die Verhaltensweisen dieser Kinder. Sie „erstarren“ zum Beispiel förmlich in ihren Bewegungen oder führen die gleichen Handlungen immer und immer wieder aus.

Diese unterschiedlichen Arten der Bindung können am Ende des 1. Lebensjahres sehr genau erkannt und unterschieden werden. Ca. 60-65 % aller Kinder entwickeln eine sichere Bindung zu ihrer Mutter und zu 55 % zu ihrem Vater. Dagegen zeigen ca. 25 % der Kinder eine unsicher-vermeidende und 10 % eine unsicher-ambivalente Bindung zu ihren Müttern.

Diese Bindungsstile sind relativ stabil und zeigen sich meist auch noch im Erwachsenenleben. Allerdings können beispielsweise spätere positive Erfahrungen mit Bindungspersonen einen negativen Bindungsstil beeinflussen und noch ändern. Gleichzeitig hat sich aber auch gezeigt, dass Eltern die eigenen Bindungserfahrungen in der Regel an ihre Kinder weitergeben. Das bedeutet, unsicher gebundene Kinder haben, wenn sie Eltern werden, überdurchschnittlich häufig wieder unsicher gebundene Kinder.

So könnt ihr eure Bindung zum Kind stärken

Wie also könnt ihr euren Bindungsaufbau positiv unterstützen? Um zu eurem Baby eine sichere und gesunde emotionale Bindung aufzubauen, müsst ihr stets auf seine Bedürfnisse reagieren. Am besten immer sofort und „richtig“. Also so gut es eben geht. Und keine Angst, dafür müsst ihr keinen Kurs belegen, nein, das Verhalten legt ihr in der Regel intuitiv an den Tag. Es gibt aber ein paar Hilfsmittel, die euch darin unterstützen. Und genau die haben die 6 652 TeilnehmerInnen unserer Trageumfrage intuitiv oder bewusst bei ihrem Nachwuchs eingesetzt, um die Bindung zum Kind zu stärken.

Bindung dank Tragehilfe

Das Tragen mit Tragehilfe etwa ermöglicht den dauerhaften Körperkontakt zum Baby. Es ist immer bei euch und kann euren Herzschlag hören, euren Geruch intensiv wahrnehmen und eure Stimme hören. Gleichzeitig könnt ihr unmittelbar reagieren, wenn euer Baby seine Bedürfnisse zeigt. Und auch Väter können mit Hilfe einer Babytrage viele innige Momente des Bindungsaufbaus erleben. Gerade auch mit unserem neuen Tragetuch Aura könnt ihr euer Baby super Haut-an Haut tragen.

in einer Babytrage stillen

Die wohl intensivste Art des Bindungsaufbaus ist den Müttern vorbehalten: das Stillen. Hier wird der Körperkontakt Haut an Haut gelebt, während zeitgleich das Bedürfnis „Hunger“ gestillt wird. In unserer Trageumfrage hat übrigens die Hälfte (54,6%) aller stillenden Mütter angegeben, dass die Tragehilfe alternativ zum Stillen als Mittel für den Bindungsaufbau eingesetzt worden ist. Vom Vater oder anderen Bezugspersonen innerhalb der Familie. Ein kleiner Tipp noch von uns: Solltet ihr stillen, könnt ihr zwischendurch immer wieder auch mal Milch abpumpen. Diese kann der Papa oder die Partnerin dann verfüttern und ihr habt mal eine kleine Auszeit für euch.

An dritter Stelle wurde in der Trageumfrage ja das Familienbett bzw. das Co-Sleeping als Hilfsmittel zum Bindungsaufbau genannt. Und auch dieses erfüllt wieder einmal all das, was wir bisher angesprochen haben. Es fördert die elterlichen intuitiven Kompetenzen, um entwicklungs- und situationsangemessen sowie prompt auf die Signale des Kindes reagieren zu können.

Bindung zum Kind stärken

Ihr seht, grundsätzlich ist das Thema Bindung und Bindungsaufbau keines, das euch Sorgen bereiten muss. Wenn ihr nur ganz genau hinhört und hinschaut, läuft das ganz von allein. Stichwort „Intuition“. Mit den genannten Hilfsmitteln erleichtert ihr euch zudem die eine oder andere Situation und ihr könnt noch unmittelbarer auf euren Knirps eingehen und die Bindung zum Kind stärken. Wir wünschen euch viel Spaß und Freude beim „Verbinden“.

Quelle: SAFE, Sichere Ausbildung für Eltern, Karl Heinz Brisch, Klett-Cotta, 11. Auflage 2022