„Iss bloß keinen Kohl, wenn du stillst, sonst bekommt dein Baby Blähungen“, „wie, du trinkst Orangensaft? Aber davon kriegt dein Kind doch einen wunden Po“ – so oder anders klingen viele typische und gut gemeinte Ratschläge, die ihr vielleicht schon einmal im Laufe eurer Stillzeit selbst oder bei anderen gehört habt. Aber stimmt das wirklich? Obwohl das meiste davon nie wissenschaftlich belegt wurde, halten sich diese vermeintlichen „Weisheiten“ hartnäckig. Darum bringt unsere wunderbare Hebamme Katrin Ritter in diesem Beitrag einmal auf den Punkt, worauf es wirklich ankommt – und was ihr getrost vergessen dürft (auch ohne Still-Demenz).
10 Dinge, die Stillende übers Essen und Trinken wissen sollten
1. Eine stillende Frau darf essen, was ihr gut tut
Wow, bei dieser Nachricht fällt einigen von euch sicher ein Stein vom Herzen. Gerade, nachdem ihr euch schon während der Schwangerschaft schon immer einschränken musstet. Aber es ist tatsächlich so, dass zahlreiche Lebensmittel wie Kohl, die zu Blähungen beim Kind führen sollen, nachgewiesenermaßen gar keinen derartigen Effekt auf das Kind haben. Die Ursachen, warum ein Baby unruhig ist oder viel schreit, können vielfältig sein. Gerade in den ersten Lebenswochen ist seine Verdauung noch nicht richtig ausgereift. Hat ein Baby häufige Koliken, muss das also nicht zwingend an eurer Ernährung liegen. Wichtiger ist, dass es euch als Mama gutgeht mit dem, was ihr esst. Wenn ihr Kohl & Scharfes gut vertragt, dürft ihr das auch weiterhin essen. Gut zu wissen ist aber: Bestimmte Öle mancher Lebensmittel gehen in die Muttermilch über und verändern ihren Geruch und Geschmack. Dies ist z.B. bei Zwiebeln und Knoblauch der Fall. Manche Kinder reagieren dann mit Abneigung, andere nicht.
2. Vom Stillen nimmt man nicht automatisch ab
„Aaach, beim Stillen bist Du die überflüssigen Pfunde ruckzuck wieder los.“ Auch das ist einer dieser nett gemeinten Sätze, die nur bedingt der Wahrheit entsprechen und die uns durchaus dazu verführen, während der Schwangerschaft nicht ganz so genau hinzuschauen, was und wie viel wir essen. Allerdings müssen wir diese „Weisheit“ etwas differenzierter betrachten. Grundsätzlich stimmt es, dass die durchschnittliche mütterliche Gewichtsreduzierung beim Stillen ca. 0,5-1 kg pro Monat beträgt. Aber: Dafür muss es natürlich auch erstmal mit dem Stillen klappen. Und dann kommt es darauf an, wie viel man in der Stillzeit isst und sich bewegt. Wie Studien zeigten, haben stillende Frauen einen um ca. 500 kcal erhöhten Kalorienbedarf gegenüber nicht stillenden Frauen. Einige Mamas verspüren aber in der Stillzeit einen deutlich gesteigerten Hunger, während andere kaum Appetit haben. Wer nun glaubt, man könne in der Stillzeit so viel essen, wie man will und jeden Tag deutlich über dem Bedarf liegen, der wird vermutlich eher zu- statt abnehmen.
3. Während der Stillzeit sollte man keine Diät halten
Wer nun enttäuscht ist, wird dieses vermutlich gleich noch einmal sein, denn: Um die Milchbildung optimal in Gang zu bringen, sollte gerade in den ersten vier Wochen die Kalorienzufuhr nicht reduziert werden. Generell ist es wichtig, während der Stillzeit nicht weniger als 1500 Kalorien pro Tag zu sich zu nehmen, um eine optimale Versorgung von Mama und Kind sicherzustellen. Darum verzichtet bitte auf Diäten. Ihr tut eurem Kind und euch damit keinen Gefallen. Besser ist, auf eine ausgewogene Ernährung mit viel frischem Obst und Gemüse, Vollkorn- und Milchprodukten, gesunden Pflanzenölen (z.B. Olivenöl, Leinöl), Eiern, Fisch, Fleisch, Reis und Kartoffeln zu setzen. Dann nehmt ihr automatisch ab.
4. Auch Vegetarier können problemlos stillen
Manch einer mag es als verantwortungslos erachten und glauben, man könne mit einer vegetarischen oder gar veganen Ernährung sein Baby über die Muttermilch nicht ausreichend ernähren. Das ist aber zum Glück nicht richtig. Denn eine ausgewogene vegetarische Ernährung hat keinerlei negative Auswirkungen auf das Stillen. Die vegane Ernährungsform kann bei euch als Mama allerdings zu einem Vitamin B12-Mangel führen, daher solltet ihr diesen Wert unbedingt checken lassen und zu einer Nahrungsergänzung greifen. Falls ihr unsicher seid, wendet euch am besten an eine qualifizierte Ernährungsberatung.
5. Bei der Jodversorgung sollte nachgeholfen werden
In Deutschland ist die Jodversorgung aktuell besser als früher, dennoch wird der Zufuhrreferenzwert bei Stillenden mit 260 Mikrogramm Jod/Tag oft nicht erreicht. Der Jodgehalt der Muttermilch hängt allerdings von der Ernährung der Mutter ab. Da eine Jodunterversorgung sich negativ auf die Entwicklung des Kindes auswirkt, wird eine tägliche Zufuhr zusätzlich zur Verwendung von Jodsalz von 100 Mikrogramm Jod/Tag empfohlen. Lasst am besten in der Stillzeit auch eure Schilddrüsenwerte überprüfen, um euren individuellen Bedarf zu ermitteln.
6. Genug trinken ist wichtig
„Wer nicht genug trinkt, hat zu wenig Milch“ – das stimmt nicht! Die Trink- und Milchmenge hängen nicht voneinander ab. Der Flüssigkeitsbedarf einer Stillenden ist dennoch mit ca. 2-3 l/ Tag geringfügig erhöht. Ganz einfach, weil es wichtig ist, eure Organe mit ausreichend Flüssigkeit zu versorgen. Meistens haben Stillende aber ohnehin ein vermehrtes Durstgefühl, wodurch mehr getrunken wird. Wenn ihr wissen wollt, ob ihr genug getrunken habt, schaut euch am besten euren Urin an. Ein heller Urin zeigt an, dass ihr ausreichend durchspült. Ist er deutlich gelb oder gar orange, solltet ihr unbedingt mehr trinken, um gesund zu bleiben.
7. Kaffee in Maßen ist erlaubt
Ja, es stimmt, dass Wirkstoffe von z.B. Kaffee, Tee oder Cola in die Muttermilch übergehen. Daher solltet ihr diese Getränke sehr reduziert und nach Möglichkeit erst nach dem Stillen trinken – wenn überhaupt. Koffein und Teein werden vom Kind langsamer abgebaut als von euch. Daher sind lange Abstände zwischen Konsum und Stillen zu empfehlen. Eine Tasse Filterkaffee (125 ml) enthält 80-120 mg Koffein. Erlaubt sind während der Stillzeit pro Tag bis zu 300 mg Koffein. Das wären zwei bis drei Tassen. Energy Trinks bitte komplett meiden.
8. „Malzbier“ fördert die Milchbildung
Es gibt wenige Getränke, denen man einen Einfluss auf die Milchbildungsmenge nachweisen kann. Dies ist aber bei Malzbier tatsächlich der Fall. Allerdings ist es hier wichtig zu wissen, dass der Name Malzbier in unseren Supermärkten meist nicht ganz richtig gebraucht wird. Es gibt nämlich Malztrunk und echtes Malzbier. Bei letzterem ist ein Alkoholgehalt von bis zu 1,5 Volumenprozent erlaubt. Darum: Schaut bitte genau hin. Da Malzbier bzw. -trunk viel Eiweiß, Kohlenhydrate und Mineralien enthält, ist es ein guter Energielieferant und versorgt euren Körper mit Spurenelementen und Elektrolyten. Es kann also beim Stillen für neue Energie sorgen, sollte aber nicht in Massen konsumiert werden, da der Energiegehalt mit 48kcal/100ml relativ hoch ist. Wasser ist natürlich immer die richtige Wahl, um Durst zu löschen. Übrigens: Salbeitee wirkt abstillend, daher solltet ihr darauf besser verzichten.
9. Alkohol sollte in der Stillzeit gemieden werden
Wenn ihr stillt, ist von Alkoholkonsum generell abzuraten, da die Alkoholkonzentration im Blut und in der Milch annähernd parallel ansteigt. Es gibt natürlich immer wieder die Empfehlung, als Mama könntet ihr ja kurz nach dem Stillen trinken und dann die nächste Milchration abpumpen. Dazu ist aber wichtig zu wissen, dass Alkohol sich nicht nur aufs Baby auswirkt. Er beeinflusst schon in geringen Mengen die Ausschüttung der mütterlichen Milchbildungshormone, so dass es zu einer Verringerung der Milchmenge kommen kann. Am besten ist es, während der Stillzeit einfach gar keinen Alkohol zu trinken.
10. Rauchen in der Stillzeit ist ein Tabu
Klar ist, dass Stillende auf das Rauchen verzichten sollten und sich das Baby grundsätzlich in einer rauchfreien Umgebung befindet. Wer dies nicht kann, sollte so wenig rauchen wie möglich, immer erst nach dem Stillen und natürlich nicht in der Wohnung bzw. in der Nähe des Kindes. Auswirkungen des Giftes aufs Kind sind unter anderem ein reduzierter Saugreflex, Koliken, Durchfälle, Schlaflosigkeit, Unruhe, verlangsamte Gewichtszunahme und vermehrte Atemwegsinfekte.
Quelle: Hebammenkunde, Stiefel et al., 6. Auflage im Thieme Verlag